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DIE CHRONIK DES CONSTANTIN SCHUBEL
Constantin Schübel (1836-1910), manchem älteren
Schramberger noch aus seiner Kindheit
bekannt, hat eine Chronik seines Lebens hinterlassen
, die im folgenden auszugsweise abgedruckt
ist. Sie enthält so viele interessante Einzelheiten
über Land und Leute, daß sie auch als
Geschichtsquelle betrachtet werden kann. Obwohl
der Verfasser zunächst seinen Lebenslauf
erzählt, berichtet er sozusagen beiläufig auch
von manchen Gegebenheiten in seiner Zeit: von
den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen
, von den Verkehrsbedingungen, ja sogar - in
lokaler Brechung - von politischen Ereignissen.
So gesehen, ist diese Familienchronik auch eine
Chronik der Stadt Schramberg!
Der Enkelin des Verfassers, Frau Schumacher-
Schübel, sei deshalb dafür gedankt, daß sie das
Werkchen hiermit allgemein zugänglich macht.
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Ich, Constantin Schübel, bin geboren Dienstag,
den 10. Mai 1836, morgens 11.30 Uhr, mit
fuchsroten Haaren, im Zeichen des „Fisches", im
Gasthaus zum „Engel", in dem etwa 2000 Seelen
zählenden Marktflecken Schramberg. Getauft
durch Pfarrer Herrlikofer in der 1657 erbauten
kath. Pfarrkirche. Die Taufpaten waren: Herr
Kaminfeger Volk und die Tante Creszenzia Jegg-
lin. Eltern: Mathaeus Schübel zum „Engel",
Küfer und Bierbrauer, geboren 22. September
1803, gestorben 10. Februar 1884, und Theresia
Schübel geborene Jegglin und verwitwete
Eschle, geboren 14. April 1803, gestorben
11. August 1879. Bald nach der Geburt erkrankte
ich an der sogenannten „Englischen Krankheit
", wurde von Dr. Neef behandelt und einmal
4 Stunden lang für todt gehalten. Durch fortgesetztes
Bürsten am ganzen Körper wurde das
Leben zurückgehalten und zeigte sich zuerst
durch Augenbewegung. Nach Aussage meiner
Mutter habe ich während meiner Krankheit Tag
und Nacht geweint. Der Arzt verbot mir viele
Speisen und Getränke, die ich zum Teil heute
noch nicht essen oder trinken kann, wie z.B.
Kartoffeln, Schwarzbrod, Senf und alle Speisen
mit Essig und Oel, ebenso Schnaps in jeder
Form. Bier und Wein lernte ich mit großer
Mühe und Überwindung erst mit 19-20 Jahren
trinken.
Erst im vierten Jahre wurde die Krankheit behoben
und ich lernte zu dieser Zeit gehen, und
zwar nach Aussage meiner Mutter an einem
vorher bestimmten Tage durch Sympathie. Bis
zu diesem Tage soll ich, auf dem Nachttopfe
sitzend, eine große Fertigkeit gehabt haben, die
Zimmerlänge im ersten Stock des ganzen „Engel
" schnellstens zu durchrutschen. An jenem
Tage nachmittags sei ich plötzlich vom Topfe
aufgestanden und gleich die ganze Zimmerlänge
durchgesprungen, nicht gegangen. Der Name
des Sympathie-Doktors ist mir nicht bekannt.
Mit 6 Jahren kam ich in die Volksschule im
damaligen Gerber Bernhard Hils'schen Hause
neben dem „Lamm" zu Unterlehrer Braig. Da ich
die Schule nicht allein besuchen wollte, mußte
mein 17 Monate jüngerer Bruder August dieselbe
ebenfalls mit mir besuchen.
Tante Peppe, damals Frau Forstverwalter
Haeußler hier, eine äußerst liebe Frau, deren
Liebling ich war, unterstützte mich und unsere
ganze Familie mit großer Liebe und Aufopferung
. Dafür versah ich auch jahrelang Dienste
bei ihr, indem ich ihr Ausläufer und Kindswärter
bei Vetter Cuno machte.
Ich erinnere mich noch der Lehrer Braig, Waller
jung und alt, Bickel, Haas, Neher und Braun,
welch' letzterer nach angehörtem Probesingen
gerne darauf verzichtete, mich, wie beabsichtigt
, zum Kirchenchorsänger heranbilden. Die
Gabe der Musik besitze ich eben ganz und gar
nicht!
Bis zu dem am 10. October 1845 erfolgten Tode
meines Großvaters, Alt-Bürgermeister Jegglin,
wurde ich bei ihm und der Tante Nenne auferzogen
. Großvater vermachte jedem der damals
lebenden 4 Schübel'schen Knaben Fl. 100,- zur
Erlernung eines Handwerkes und dem Mädchen
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