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Fl. 50,- zur Ausbildung. Diese zusammen FL
450,- kamen erst 1884 zur Verteilung und hatten
die Eltern davon die Nutznießung, solange
sie gelebt haben.
Mit 10 Jahren kam ich in die im alten Schulhause
unter der neuen kath. Kirche ebenerdig
sich befindliche Realschule unter Reallehrer
Jaeger und verblieb dort bis zu meinem am 7.
April 1850 stattgefundenen Schulaustritt und
Empfang der ersten heiligen Kommunion unter
Pfarrer Sauter. Mitrealschüler waren: Karl Kräut-
le, Stiftungspflegers; Karl Neef, Apothekers; Otto
Teufel, Magaziniers; Joh. Baptist Maurer (Pfarrers
Baptist), Alois Rapp, Fuhrmanns Stölkers,
Johs. Rapp, ebenso Erhard Hils, Gerbers; Georg
Grüner, Mohrenwirts; Hermann Schweizer,
Gypsers; Karl Wolter, Bäckers; und August
Schübel, mein Bruder.
Im Alter von 9 und 10 Jahren reisten mein
Bruder August und ich in Vaters Begleitung zu
Fuß in einem Tage über Böchingen - Baerenthal
zur Großmutter nach Haigerloch. Ich gedenke
noch der ausgezeichneten Milchsuppe, die wir
in Böchingen zum Frühstück bekamen und die
uns so gut schmeckte, wie nachher keine mehr.
Die Großmutter wohnte in einem kleinen, einstöckigen
, rötlich verblendeten Häuschen bei
der St.-Anna-Kirche und empfing uns sehr gut.
Wir blieben einige Tage bei ihr, besuchten noch
den Onkel Lammwirt in Mühringen und reisten
wieder zu Fuß über Horb nach Hause.
Etwa ein Jahr später wurden Bruder August und
ich als Zeugen vor das Oberamtsgericht Oberndorf
geladen wegen eines Kindsmordes, den die
von Balingen gebürtige Magd Martha bei unserer
Tante Peppe dadurch verübte, daß sie auf
dem Abtritte unehelich geboren hat und das
Kind in den Abtrittschlauch hinunterfallen ließ,
wodurch es starb. Wir hatten tags zuvor Kartoffeln
mit dem Mädchen gesteckt und sollten nun
unsere Wahrnehmungen über den Körperumfang
des Mädchens mitteilen. Selbstredend waren
unsere Angaben ohne Wichtigkeit, und wir
konnten in Vaters Begleitung bald wieder den
Heimweg antreten.
1848. Der Zeitströmung entsprechend wurden
im Jahre 1848 alle Jungens von 10 bis 20 Jahren
durch den damaligen alten Soldaten, Aufseher
Wolff in der Steingutfabrik, im Fechten und
Exerzieren unterrichtet. Aus den Schülern
wurde ein Corps Sensenmänner mit Blechsensen
gebildet unter „Hauptmann" Karl Neef, Apothekerssohn
, von dem der Volkswitz sagte: „Der
Sensen-Major kratzt sich hinter dem Ohr, sucht
bis er eine find't, dann tödtet er sie g'schwind!"
Die älteren Jungens bildeten ein Corps Schützen
mit Holzgewehren und Zündhütchenschloß
, unter dem Kommando von Wilhelm
Maurer, Hirschwirtssohn. Mehrere Jahre hindurch
wurde mit großem Eifer exerziert und
sogar einmal vor Baron v. Uechtritz eine große
Parade abgehalten, wofür jeder Beteiligte 1
Schoppen Bier und ein Kreuzerbrod erhielt.
Bruder August war Tambour bei den Sensenmännern
, und ich war erst Sensenmann und
später Schützenkommandant der Realschüler.
Ich besaß aber auch einen abgesägten Karabiner
, der wirklich losging und zu dem ich das
Pulver selbst machte, und zwar aus Salpeter,
Schwefel und Kohle.
1850. Am 7. April 1850 wurde ich aus der
Realschule entlassen und empfing durch Pfarrer
Sauter die erste heilige Kommunion.
Auf Verwendung meines Onkels, des Forstverwalters
Haeußler hier, kam ich am Montag, den
16. December 1850 in die kaufmännische
Lehre in die Strohmanufactur hier.
Die Leitung der Fabrik, damals noch Actienge-
sellschaft, war in den Händen des Herrn Kaufmanns
Haas, der noch „Strohmanufactur, J.P.
Haas, Caßier" firmierte.
Herr Pergerin Haas, geboren den 8. Mai 1803,
starb am 21. Juli 1870, wurde also 66 Jahre und
2 Monate alt.
Die technische Geschäftsleitung hatte Herr Erhard
Junghans, später Prokurist und Mitteilhaber
. Er wurde die Seele des Geschäftes, und ihm
ist die Fabrication der feinen Stroh- und Panama
-Hüte zu verdanken. Geboren am 1. Januar
1823, starb er schon am 9. September 1870 im
Alter von nur 46 Jahren, 9 Monaten. Stiller
Hauptactionär war Graf Cajetan v. Bissingen,
Excellenz, geb. 18. März 1806, gestorben 10.
Mai 1890, somit 83 Jahre und 2 Monate alt.
Meine Lehrzeit begann am 1. Januar 1851, dauerte
3 Jahre und endete also am 31. December
1853. Im Lehrvertrag wurde bedungen, daß ich
französisch lernen müsse und an Sonn-, Feierund
Markttagen verpflichtet war, im Detailgeschäft
des Herrn Haas zu arbeiten. Im dritten
Lehrjahre bekam ich Fl. 50,— Gehalt und fing
von da an meine eigene Buchführung an. Als
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