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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_02/0066
Von Basel reiste ich mit der Post über Liestal
und Fribourg nach Bulle und kam daselbst am
25. April nachmittags 4 Uhr glücklich an und
wurde recht gut empfangen. Die Reisekosten
betrugen Frcs. 43,85.

Vetter Glaßon, die Güte und Geduld selbst,
durfte und mußte alles thun und lassen, was
seine liebe Frau nur haben wollte. Die Leute
waren fast Millionäre und betrieb er nebenbei
ein Käsegeschäft en gros. Die Leute waren sehr
angesehen, sehr fromm, sogar bigott. Der Vetter
sprach etwas deutsch, die Base nicht. Es war
noch die Mutter der Cousine, Frau Marie Madeleine
Jeggle nee Golliard, da, eine alte, gute
Frau.

Das Städtchen Bulle - deutsch Boll im Uecht-
land, 600 Schritt lang, 100 Schritt breit - hatte
ca. 2000 Seelen, liegt nahe beim Moleson und
anderen hohen Gebirgen und hat von der Stadtkirche
aus eine prächtige Fernsicht gegen Fribourg
zu. Es ist ein Landstädtchen, sauber und
schön angelegt mit schönen Alleen, Promenaden
und 2 geraden Straßen. Es hat ein großes
Spital, ein Kapuzinerkloster, bedeutende Käsefabrikation
und große Wochen- und Jahrmärkte.
Der Grüzer Käs, fromage de Gruyere, ein berühmtes
Produkt, wird hauptsächlich in der
Gegend fabriziert und nebenbei noch Stroh-
flechterei getrieben.

Das Haus des Herrn Glaßon war ein großes Haus
am Marktplatz, zweistockig und von drei Seiten
frei. Vor dem Haupteingang stand eine prächtige
alte Linde. Im Parterre war ein großes kaufmännisches
Geschäft von M.J. Payraud Freres,
die auch eine Seite der ersten Etage bewohnten.
Ich bekam ein schönes Zimmerchen gegen die
Linde und neben dem Schlafzimmer der Verwandten
gelegen und wurde in dem kaufmännischen
Geschäfte der Herren M.J. Payraud Freres
beschäftigt. Es war ein bedeutendes Engros-
Geschäft von Fromage de Gruyere, Detailgeschäft
von Tuchen, Ellen-Spezerei und Eisenwaren
. In eine graue Blouse gesteckt, arbeitete ich
mit einem Kollegen, J. B. Hegglin aus Zug, im
Laden sowohl als im Comptoir.

Die Kost bei den Verwandten war vorzüglich
und freute ich mich besonders auf die dortigen
beiden wöchentlichen Fasttage, Freitag und
Samstag (jours maigres), wo es fast den ganzen
Sommer und Herbst durch ausgezeichneten
Obstkuchen und Erdbeeren mit süßem Rahm

gab. Anfangs ging es mir nicht gut, meine französischen
Realschulkenntnisse ließen mich im
Stich, denn ich wurde nicht verstanden und
verstand selbst auch nichts, weil nach meiner
Ansicht viel zu rasch gesprochen wurde.
Ich bekam Unterrichtsstunden bei Herrn Lehrer
Barras im Französischen und wurde es nach und
nach besser, jedoch konnte ich in Bulle nicht
fertig französisch lernen, weil dort ein abscheulicher
Fribourger Dialect - Patois fribourgeois -
gesprochen wurde.

Meine Schuhe und Kleider mußte ich selbst
putzen und jeden morgen früh zur Messe in die
nahe Kapuzinerkirche. Ausflüge nach Vevey,
Chätel St. Danis, Corbieres, Villardvollard. Juli
14./15. Moleson Besteigung, 6470' hoch. Juli 25.
Erdbeben.

Trotzdem ich sehr liebevoll behandelt und
reichlich beschenkt wurde, behagte mir die
strenge Zucht und das bigotte Wesen doch
nicht recht, und ich war froh, als im November
plötzlich ein Brief von der Strohmanufactur eintraf
, der mich nach Schramberg zurückberief,
weil Herr Otto Braun auf einer Reise in Frankreich
erkrankte und man meiner im Geschäfte
wieder bedurfte. Nach einem Aufenthalt von 7
Monaten verabschiedete ich mich am 26. November
1855 und reiste mit der Post zurück
über: Fribourg, Bern, Luzern, Zug, Einsiedeln
(Hotel „Steinbock"), Zürich, Schaphausen, Rottweil
, Oberndorf, Schramberg, wo ich am 2.
December glücklich wieder ankam. Diese Reise
kostete Fl. 38,13.

Zur Vollendung meiner französischen Studien
nahm ich mir vor, im Frühjahr zu Herrn Jaccard,
regent & instituteur ä Crans pres de Nyon,
Canton de Vaud, zu gehen, wo die Herren Erhard
Junghans, Otto Braun, Max Gais, Ferd.
Stammelbach usw. auch französisch gelernt
hatten.

Am 1. November 1855 erfolgte meine Aufnahme
als Museumsmitglied. Den Winter über
verdiente ich mir durch meine Thätigkeit im
Geschäfte die Mittel zur Studienreise und
konnte sogar die mir von meinem Vater gebotenen
Fl. 2,- Reiseunterstützung zurückweisen
und ihm bedeuten, daß er dafür kein Kostgeld
von mir bekomme. In den ersten Jahren meiner
Gehaltsbezüge verwendete ich meinen Gehalt
meistens zur Bezahlung von Bretter- und anderen
Schulden meiner Eltern. Nachdem die

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