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In seiner Einführungsrede wies der Regierungspräsident
auf die außerordentliche Notlage der
Stadt hin und forderte zur Einigkeit aller auf,
was ja in der fast einstimmigen Wahl schon sehr
deutlich geworden sei. Von Hofmann wies aber
auch mit eindringlichen Worten darauf hin, daß
in weiten Kreisen jede Achtung vor dem Gesetz
und der Sinn für Recht und Ordnung geschwunden
seien, was bedinge, daß der neue Stadtvorstand
die Zügel fest in die Hand nehmen müsse.
In seiner Antrittsrede versicherte der neue
Stadtschultheiß, er wolle ein wahrer Hüter der
Rechte und getreuer Pfleger der Wohlfahrt sein
und wolle die Stadt Schramberg von einer erfolgreichen
Vergangenheit in eine aussichtsreiche
Zukunft führen. Das anschließende Festbankett
fand in der „Post" statt.
Schon in seiner ersten Gemeinderatssitzung am
17. Dezember 1919 machte Ritter deutlich, daß
er eine gestraffte und effiziente Verwaltung und
einen verantwortungsbewußten Gemeinderat
wünsche. Als erstes setzte er eine neue
Geschäftsordnung durch, aufgrund deren es zur
Bildung zahlreicher Abteilungen, wie einer
Verwaltungs-, einer Bau-, einer Finanz-, einer
Fürsorgerechts- und Gemeindegerichtsabteilung
, kam.
Das sicher größte Verdienst des Stadtschultheißen
Ritter um die Stadt Schramberg war die
taktvolle und weitblickende Verhandlungsführung
und der letztendlich finanziell außerordentlich
günstige Vertragsabschluß beim
Erwerb der gräflichen Besitzungen im Jahre
1923. Schon im Jahre 1919 hatte die Eisenbahnverwaltung
die Stadtverwaltung gebeten, für
eine dringend erforderliche Bahnhofserweiterung
Areal vom Grafen zu erwerben. Dieser
aber war zu jenem Zeitpunkt politischer und
wirtschaftlicher Unsicherheit nicht gewillt zu
veräußern. Diese Bitte trug das neue Stadtoberhaupt
auch in den weiteren Jahren immer wieder
an den Grafen heran, bis dieser dann am
15. Mai 1923 im Interesse der Weiterentwicklung
der Stadt bereit war, das Schloß mit Nebengebäuden
, Parkanlagen und Areal im Tiersteingelände
für Wöhnbauzwecke zu verkaufen. Der
Graf wollte mit dem Erlös aus diesem Verkauf
ein neues Schloß auf Hohenstein bei Rottweil
finanzieren. Der Kaufpreis sollte 100000 Dollar
= 420 000 Mark betragen. Da die Stadt allein
diesen Kauf nicht finanzieren konnte, wurde auf
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Vorschlag von Stadtschultheiß Ritter eine Käufervereinigung
, bestehend aus der Stadt, zehn
Industriebetrieben und drei Einzelpersonen, gebildet
, die je nach ihrer verschiedenen Haftsumme
auch Anspruch auf entsprechendes Gelände
hatten, wobei die Stadt selbst vorab das Schloß
mit Park um 15000 Dollar und Baugelände im
Tierstein um 30 000 Dollar für sich in Anspruch
nahm.
Zum Dank und in Anerkennung seiner großen
Verdienste um die Stadt Schramberg ernannte
der Gemeinderat auf Vorschlag von Stadtschultheiß
Ritter Graf Cajetan von Bissingen und Nippenburg
zum Ehrenbürger.
Graf Cajetan v. Bissingen
Die gräfliche Familie (außer Gräfin Elisabeth)
siedelte am 27. Oktober 1925 nach Schloß
Hohenstein über. Der Graf verstarb 1956; er
wurde in der Familiengruft im Falkenstein beigesetzt
.
Sofort nach dem Erwerb des Tiersteingeländes
ging Ritter mit tatkräftiger Unterstützung seines
Gemeinderates daran, dort Wohnbaugelände
zur Verfügung zu stellen und den privaten Wohnungsbau
auch seitens der Stadt tatkräftig, nach-
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