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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_03/0022
Etwas ins Zwielicht geriet Stadtschultheiß Ritter
anläßlich eines massiven Polizeieinsatzes im November
1923. Nationalsozialisten und Kommunisten
waren hier, wie auch in anderen Industriestädten
des Schwarzwaldes, im Verlaufe des
Herbstes wiederholt gegeneinander tätlich geworden
. Wegen Gefährdung der öffentlichen
Ordnung und Sicherheit verlangte der Stadtschultheiß
vom Innenministerium die sofortige
Ergänzung der hiesigen Polizei auf den planmäßigen
Bestand und die vorübergehende Abstellung
von weiteren 10 bis 20 Polizeibeamten. Zu
seiner eigenen Überraschung unterrichtete ihn
am Morgen des 13. November Polizeimajor
Fromm telefonisch vom Rathaus aus vom Eintreffen
einer Einheit von 140 Polizeibeamten. In
mehreren Besprechungen mit Major Fromm
und Polizeioberst Ruoff bat Ritter, es möge sich
die Polizei, so gut es gehe, zurückhalten. In
Presseaufrufen bat der Stadtvorstand die Bevölkerung
, sich ebenfalls keiner Provokation schuldig
zu machen. Trotzdem kam es gelegentlich
zu Tätlichkeiten (Steinwürfen) gegen die Polizei
. Schon nach drei Tagen wurde das Gros der
Einheit wieder abgezogen. Doch Stadtschultheiß
Ritter wurde im nachhinein immer wieder
zu Unrecht vorgeworfen, er habe den Einsatz
dieser Einheit gefordert.

Wie sehr Eugen Ritter gerade diese Unterstellung
nachging, wird aus der Tatsache deutlich,
daß er sich Ende November 1923 um die freigewordene
Stadtschultheißenstelle in Rottweil
bewarb. Auf Ersuchen der großen Parteien zog
er seine Bewerbung kurz vor der Wahl wieder
zurück, stand dann aber doch zur Wahl. Er
erhielt 1771 Stimmen, genausoviel wie sein
Rivale, Staatsanwalt Hirzel aus Tübingen. Die
Stelle mußte erneut ausgeschrieben und eine
neue Wahl angesetzt werden, wobei Ritter sich
nicht mehr bewarb.

Am 15. Juli 1927 richtete der Gemeinderat der
Stadt Schramberg einstimmig einen Antrag an
die Württembergische Staatsregierung, sie
möge Stadtschultheiß Ritter den Oberbürgermeistertitel
verleihen. Der Antrag wurde folgendermaßen
begründet:

„Der beantragte Titel ist dem Stadtvorstand von
Aalen längst und demjenigen von Ebingen
unlängst verliehen worden. Diesen beiden Städten
kommt die Stadt Schramberg als Hauptsitz
der deutschen Uhrenindustrie sowohl in wirtschaftlicher
Bedeutung als auch an Einwohnerzahl
durchaus gleich. Es ist deshalb für die Stadt
Schramberg eine Zurücksetzung, wenn ihr dieselbe
Dienstbezeichnung ihres Ortsvorstehers,
auf welche sie schon wegen ihrer vielseitigen
Beziehungen zum In- und Ausland Wert legen
muß, vorenthalten wird, zumal in keiner anderen
württembergischen Stadt gleicher Größe
der Stadtvorstand noch den Titel Stadtschultheiß
führt. Es dürfte der hiesige Stadtvorstand,
der sich in den acht Jahren seines hiesigen
Wirkens durch unermüdliche, erfolgreiche
Arbeit um die Gemeinde sehr verdient gemacht
hat, an Berufstüchtigkeit und Dienstleistung
hinter seinen Amtsgefährten anderer Städte
nicht zurückstehen."

Einen besonderen Anlaß zu der erbetenen Titelverleihung
bot die im folgenden Monat anstehende
Eröffnung der Bahnhof- und Graf-von-
Bissingen-Straße, welche zu einem Großteil der
Tatkraft und dem Weitblick des Stadtvorstandes
zu danken waren. Damit war nämlich die Voraussetzung
für die Erschließung des nördlichen
Stadtteils geschaffen.

Das Ministerium kam durch Erlaß vom 19. September
1927 dem Wunsche nach: „Das Staatsministerium
hat durch Entschließung vom
16. September dem Stadtschultheiß Ritter in
Schramberg den Titel Oberbürgermeister
verliehen. Gez. Bolz."

Die Amtszeit von OB Ritter war zu Beginn
überschattet von den schlimmen Auswirkungen
der Inflation und am Ende von den furchtbaren
Folgen der Weltwirtschaftskrise mit Massenarbeitslosigkeit
und dem erschreckenden
Anwachsen der extremen Parteien links und
rechts. OB Ritter war parteilos, stand aber als
praktizierender Katholik gesinnungsmäßig dem
Zentrum nahe. Er bemühte sich aber, in seinem
kommunalpolitischen Handeln strikte Neutralität
zu wahren, und bot auch den Nationalsozialisten
, die ab 1931 im Gemeinderat vertreten
waren, die Hand zur Zusammenarbeit an.

So war es für den um die Stadt Schramberg
unermüdlich tätig gewesenen Stadtvorstand unfaßbar
, als er am Pfingstsamstag, den 2. Juni
1933, aus der Hand seiner Tochter den Brief mit
der Nachricht seiner sofortigen Amtsenthebung
in Empfang nehmen mußte. Um einem drohenden
Verlust jeglicher Pensionszahlung zu begegnen
, wurde ihm vom Landrat angeraten, von

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