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stentum Liechtenstein 1939 zu seinem 100. Geburtstag
herausgab. Bei Rheinberger nimmt
Braun Klavierunterricht, bei weiteren Professoren
am Konservatorium Unterricht im Orgelspiel
und in Musiktheorie. Danach treffen wir
Braun in Regensburg, wo er Kirchenmusik studiert
und dem bedeutendsten Musikforscher
des 19-Jahrhunderts, Dr. Carl Proske, begegnet.
Proske, der Palestrina für Deutschland wiederentdeckt
hat, weckt auch in Braun die Begeisterung
für diesen großen Meister. Sie findet ihren
Ausdruck z.B. in einem „Vocalkonzert", das
Braun „mit seinem Chorpersonal und den Kindern
seiner Singschule", die er bereits Anfang
der sechziger Jahre gegründet hatte, am 3. Oktober
1867 gab. Dieses Kirchenkonzert, das vor
allem Palestrina gewidmet war, wird im ganzen
Land aufmerksam verfolgt, weil es vor dem Hintergrund
der kurz zuvor erfolgten Gründung
des Württembergischen kirchenmusikalischen
Vereins in Biberach gesehen wurde. Dabei muß
Braun seine Auffassung vom Vorrang der Vokalmusik
vor der Figuralmusik im liturgischen
Bereich deutlich und überzeugend vertreten
haben. Ein Stuttgarter Rezensent des Schram-
berger Konzerts betrachtete es nämlich als
„eine glückliche Fügung, daß der kirchenmusikalischen
Versammlung in Biberach das
kirchliche Vokalkonzert des Herrn Oberlehrers
Braun und damit der ausgesprochenen Theorie
eine praktische Bestätigung und Bewährung so
bald nachgefolgt ist". Die größte Wertschätzung,
die J. B. Braun jedoch zuteil wurde, erfuhr er
von seinem berühmten Landsmann Friedrich
Silcher. Dieser rühmt in einem Zeugnis von
1853 nicht nur seine ihm wohlbekannten musikalischen
Kenntnisse, sondern auch seine Fähigkeiten
als Komponist und sein hervorragendes
Können als Dirigent und Organist.
J. B. Braun hatte sich aber nicht nur in Württemberg
einen Namen gemacht, er war auch außerhalb
des Landes längst kein Unbekannter mehr.
Franz Witt, der mit einer Reihe von Zeitschriften
und durch eigene Werke für die Erneuerung
der katholischen Kirchenmusik in Deutschland
kämpfte, war ebenfalls auf Braun aufmerksam
geworden. Auf einer Vortrags- und Visitationsreise
durch Süddeutschland kam er am 29- August
1872 auch nach Schramberg. Dort fand am
selbigen Tag ausgerechnet eine regionale Lehrerkonferenz
statt. Als die Schulmeister hörten,
daß Witt im Flecken sei, sollen sie - so berichtet
Witt selbst - „allerlei Furcht vor einem etwaigen
Attentat meinerseits auf ihre Kehlen und
ihre Gesangskunst etc. gehabt und Pläne, ihm
entgegenzutreten, gefaßt haben, allein da der
Zweck meiner Reise ein anderer gewesen, ohne
Grund!" Welches aber war der wahre Grund?
Hören wir Witt selbst: „Am nächsten Morgen,
den 29. August, ging es noch tiefer in den
Schwarzwald hinein - nach Schramberg. Dort
wirkte Oberlehrer J. Braun, dessen Leben und
Wirken meine 'Musica Sacra'... kurz geschildert
hat.. .Ich wollte ihm nur Besuch abstatten
aus Hochachtung vor seiner Person und vor
dem Rufe seiner Leistungen." Braun hatte vom
Kommen Witts gehört und schnell seinen Chor
zusammengerufen, um die „Missa brevis" von
Palestrina vorzuführen. Braun konnte wegen
der Folgen eines Vorjahren erlittenen Schlaganfalls
nicht mehr selbst dirigieren, ein Gehilfe tat
das nach seinen genauen Anweisungen. Im
nachfolgenden Gespräch wurde Witt von
Brauns großem Sachverstand so sehr beeindruckt
, daß er später bekannte: „Ich wußte nun,
daß er ein vortrefflicher Dirigent gewesen sein
mußte."
Der Bericht von dieser Begegnung, der erst
1873 in „Ars sacra" erschien, schließt mit der
Nachricht vom Tode Brauns: Jetzt ist J. Braun
begraben, er starb am 17. September 1872 (drei
Wochen nach meinem Besuche) im 65. Jahre.
R. i. p."
Wie bekannt J. B. Braun im ganzen Land gewesen
sein muß, läßt sich auch an den zahlreichen
Berichten von seinem Tode ablesen. So widmet
ihm etwa das Katholische Wochenblatt in Ellwangen
am 6. Oktober 1872 folgenden Nachruf:
„Schramberg am 19. September ward hier die
Leiche Oberlehrers und Organisten J. B. Braun
zur Erde bestattet... Seit 36 Jahren wirkte er als
Lehrer und Organist in Schramberg, wo er gerade
in letzter Eigenschaft bei seinen ausgezeichneten
musikalischen Anlagen, seinen eifrigen
Studien und seinen wiederholten, auch durch
Staatsunterstützung ermöglichten Reisen sich
für die Heranbildung eines tüchtigen Chores
und für klassische Kirchenmusik große Verdienste
erworben hat, welche Verdienste auch in
entfernten Kreisen nicht unbekannt blieben
und Anerkennung fanden." —
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