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ten. Besichtigung der Stadt und Abreise abends
6.15 Uhr per Schiff an der Savier Seite entlang
über Cologny, Hermance und Zougues nach
Nyon, Hotel de Tange bei Mercanton, Ankunft
7.40 Uhr abends. Gemeinschaftliches Abendessen
und um 9 Uhr Verabschiedung von Herrn
Gais. Mohrenwirt legt sich ins Bett, und Philipp
und ich machen noch einen herrlichen Spaziergang
beim Mondschein auf die Terrasse mit
Aussicht auf den See und auf Savoyen, Geneve
und Lausanne.
31. Juli. Unser Gasthaus war so bescheiden, daß
wir morgens keinen Kaffee bekommen konnten
und um 6.26 Uhr nüchtern per Bahn nach Lausanne
abfahren mußten. Ankunft 7.45 Uhr. Mohrenwirt
macht einen Abstecher zu Bekannten
nach Vevey. Philipp und ich gehen zur Stadt,
trinken Kaffee und besuchen Herrn Pittet, bei
dem Bruder Otto im Institut war. Nachher Besuch
bei Boulanger Keck und der in seiner Nähe
gelegenen Brasserie, bayrisches Bier 2 Deci
20 Centimes! Besichtigung der Stadt, Mittagessen
am Bahnhof. Abreise 1.27 Uhr nach Bulle
über Romont, Ankunft in Bulle 3.52 Uhr, wo uns
Schwester Louise, der ich vorher telegraphierte,
schon am Bahnhof erwartete. Ich begleitete Philipp
und Mohrenwirt ins Hotel du Cheval blanc
und wohnte selbst bei meinen Verwandten Gla-
ßon. Mohrenwirt und Philipp waren abends
kaum zu abzuhalten, den 2085 Meter hohen
Moleson zu besteigen, bekamen aber keinen
Führer. Darüber ungehalten, beschlossen sie,
mit dem Frühzug nach Bern zu fahren und mich
nachkommen zu lassen! Abreise derselben 5.50
Uhr morgens, Ankunft in Bern 8.53 Uhr, Hotel
Pfisterer. Ich reise erst 1.50 Uhr ab und komme
um 4.20 Uhr mittags an, wo mich meine Freunde
am Bahnhofe erwarten.
1. August. In Bulle wurde ich von den Verwandten
ausgezeichnet gut empfangen und bekam
von der Cousine sogar noch ein Hundert-Franc-
Stück geschenkt. Leider war sie schon an Wassersucht
erkrankt. Während der Fahrt hatten
meine Freunde die Bekanntschaft eines Herrn
Baumann-Bondeli von Bern gemacht, der „Hüh-
nerguillotineur" war und ihnen die Sehenswürdigkeiten
der Stadt zeigte. Von der Münsterterrasse
aus genossen wir die herrliche Alpenaussicht
, gingen abends in den „Circus" und
besuchten noch mehrere Restaurants.
2. August. Abreise morgens 5.52 Uhr nach Thun
und von da per Schiff bis nach Daerlingen, von
da per Boedelibahn nach Boenigen, per Schiff
nach Brienz, Ankunft 11.50 Uhr. Es war ein
herrlicher Tag mit imposanter Aussicht. Ein Berner
Gesangverein sang von Thun aus herrliche
Lieder. Überall prachtvolle Villen, Schlösser und
riesige Gebirge. In Brienz Mittagessen und um
12.10 Uhr Abfahrt per Post in Gesellschaft
dreier Engländer über den 1035 Meter hohen
Brünig-Paß nach Alpnach. Ankunft abends 5.45
Uhr, Abfahrt per Dampfer 5.55 Uhr über Stans-
stad nach Luzern (14524 Einwohner), Ankunft
7.10 Uhr Hotel de la poste; gute, aufmerksame
Bedienung. Abends Gletschergarten und Feuerwerk
, Spaziergang am See.
3. August. Morgens 5 Uhr Kahnfahrt von Philipp
und mir, während Mohrenwirt um keine Million
mitgeht und fast vor Angst vergeht, weil er
sicher glaubt, daß wir untergehen, und dabei
war es ein herrlicher, ruhiger Morgen und fiel
auch die Fahrt sehr gelungen aus. Besuch des
Gletschergartens, der Pfyffer'schen Reliefkarte
der Zentralschweiz, Aussichtsthurm, Glasblasen
und -spinnen und Diorama von Rigi-Kulm. Abfahrt
von Luzern 1.55 Uhr über Zug nach Zürich
, Ankunft 4.15 Uhr, Hotel Limmathof bei
Punter, Zimmer mit 3 Betten. Besuch bei Wilhelm
Schübel in Außersiehl, Wasserwerke,
Schlachthaus, innere Stadt und Tivoli Concert.
4. August. Abreise von Zürich morgens 10.09
Uhr per Schnellzug über Winterthur, Dachsen,
Rheinfall, Schaffhausen, Mittagessen im Hotel
Müller, Singen, Hausach, Wolfach, Ankunft 4.43
Uhr, per Post nach Schramberg, Ankunft Montagabend
8.10 Uhr. Kosten 150 Mark in 8 Tagen.
Die ganze Reise war von heiterster Stimmung
und schönstem, nur etwas zu heißem Wetter
begleitet. Schön und herrlich, nur um einige
Tage zu kurz, war diese Schweizerreise, und
zeitlebens wird sie in gutem Andenken jedes
Teilnehmers verbleiben.
(wird fortgesetzt)
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