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Unterhaltungskosten abgezogen wurden.
Schließlich kam eine Forderung der Gemeinden
von 585 409 Mark zusammen. Vorhanden waren
aber nur 574 776 Mark, doch wurde dieses
verhältnismäßig kleine Minus von 10 633 Mark
gleichmäßig auf die fünf Kirchengemeinden
verteilt. Das Verteilungsvermögen setzte sich im
wesentlichen zusammen aus 261 489 Mark für
verkaufte Liegenschaften, 202 642 Mark aus den
ausgeliehenen Kapitalien, aus 102 876 Mark als
Anrechnung für die den Gemeinden überlasse-
nen Wälder und Felder und einem Restkassenbestand
von 12 796 Mark.
Über die letzte Sitzung des Auflösungsausschusses
, in der die Zuteilungen an die fünf Gemeinden
endgültig beschlossen wurden, haben wir
leider nur einen ganz persönlichen Bericht von
Pfarrer Langenbacher (Mariazell): „Eine Reihe
von Sitzungen, an denen sich der Oberamtmann
, der Dekan, die Geistlichen und Schultheißen
der Gemeinden beteiligten, fanden in
Schramberg statt. Als Verteilungsmodus wurde
angenommen: 75 Mark pro Sitzplatz in der Kirche
! Nach dem Mittagessen, das auf eine Vormittagssitzung
gefolgt war, äußerten die Pfarrer, sie
gingen jetzt in den Schloßgarten und beteten
die Vesper. Ich sagte: ,Und ich gehe mit dem
Oberamtmann spazieren!' Auf dem Wege sagte
ich zu dem Leiter der Verhandlungen, ich begreife
ihn nicht, daß er den Schrambergern so
viel Geld zuschanzen wolle. Bei Beginn der
Stiftung sei Schramberg ein kleines Nest gewesen
, die vielen Arbeiter, die jetzt in Schramberg
wohnen, haben zur Stiftung nichts beigetragen.
Oder ob der Herr Oberamtmann vielleicht glaube
, daß die vielen Sozialdemokraten' in die
Kirche gingen; den Schrambergern -müsse weggesäbelt
werden! - Das Wort Sozialdemokraten
' wirkte wie ein rotes Tuch! (Es waren ja erst
wenige Jahre seit der Aufhebung des Sozialistengesetzes
vergangen!).
Schwend erklärte, er sei einverstanden. Rasch
verständigte ich vor der Nachmittagssitzung die
Landpfarrer. Es wurde nun der Antrag gestellt,
Schramberg müsse sich einer Beschneidung von
20 000 Mark zugunsten von Lauterbach, wo
eine Kirche gebaut werden sollte, unterziehen
lassen. Einer nach dem anderen trat hierfür ein.
Die Schramberger Herren sagten nachher, sie
hätten sich plötzlich wie einer Verschwörung
gegenübergesehen und eben nachgeben müssen
. Die Herren von Lauterbach meinten nach
der Sitzung mir gegenüber: ,Aber der Pfarrer
von Mariazell war lieb, wir wollen ihm zu einigem
Dank für die Kirche in Hardt eine Ewig-
Licht-Lampe schenken!' Der Geist war willig!
Aber wie ist später diese Stiftung ausgefallen?
Eines schönen Tags langt eine Kiste in meinem
Pfarrhofe an; ich öffne, und eine alte, ausrangierte
Lampe von der alten Lauterbacher Kirche
war darinnen niedergelegt! Ich ließ sie fein in
der Kiste ruhen und schickte sie samt der Kiste
sofort retour mit der Bemerkung: „Ich verzichte
hochherzig auf diese eigenartige Zierde für eine
neue Kirche!'"
Die Endabrechnung, ausbezahlt in Liegenschaften
und Kapitalien, betrug nun für Schramberg
223845,35 Mark, für Lauterbach 148125,10
Mark, für Mariazell 91 470,97 Mark, für Aichhalden
58 340,34 Mark und für Sulgen 52 993,60
Mark. Daß Sulgen am wenigsten bekam, muß,
auch wenn man die damals geringe Einwohnerzahl
berücksichtigt, schon deshalb beanstandet
werden, weil Sulgen um 1550 bei der Gründung
der Heiligenfabrik mit seinem Besitz den größten
Beitrag eingebracht hatte, und zwar zusammen
mit Mariazell, das damals den „Wald des
heiligen Erhard" abtreten mußte. Bei Lauterbach
muß berücksichtigt werden, daß der Kirchenbau
direkt bevorstand, aber auch Mariazell
beabsichtigte den Kirchenbau in Hardt. Mit Ausnahme
der Mariazeller Kirche wurden übrigens
alle Kirchen im Stiftungsbereich im 19. Jahrhundert
neu erbaut: In Schramberg 1838-42, in
Aichhalden 1832/33, in Sulgen 1826/27, in Lauterbach
1893/94 und in Hardt 1893/94. Hier
konnten also in den kommenden Jahrzehnten
nur geringe Unterhaltungskosten entstehen.
Daß die Auflösung der „Kombinierten Kirchenstiftung
Schramberg" schließlich erfolgreich
und zur Zufriedenheit aller abgeschlossen werden
konnte, war im wesentlichen das Verdienst
des damaligen Oberamtmanns Schwend von
Oberndorf. Seit 1892 bestehen also die heutigen
selbständigen Kirchengemeinden Schramberg
, Lauterbach, Aichhalden, Mariazell und Sulgen
und bald darauf auch die von Hardt, die sich
von Mariazell trennte. Patron für die Ernennung
der Pfarrherrn und der Lehrer blieb zunächst
noch der Graf von Bissingen, bei den Lehrern
bis nach dem ersten Weltkrieg und bei den
Pfarrherrn sogar bis Anfang der 70er Jahre.
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