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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_04/0045
Reichen und Wohlhabenden jener Tage seine
„Freunde". So wurde er bei einem hiesigen
Strohhutfabrikanten (Hermann Haas) immer
herzlich aufgenommen, beim Uhren-Waller
sprach er vor, und im gräflichen Schloß ging er
ein und aus und sprach vom Grafen von Bissingen
nur als dem „Ferdinand". Doch auch die
damaligen Schramberger Wirtschaften kannten
Hans von Stein recht gut. Hatte er kein Geld, so
gab es da ja auch Tropfbier, womit man seinen
Durst stillen konnte. Schlau gab er vor, daß das
Bier vom Faß ihm nicht stark genug sei!
Indem er unterwegs die Bürger um „einen Pfennig
" bat, konnte er sich manchmal sogar ein
Schnäpschen leisten. Doch nie waren ihm räuberische
Absichten nachzuweisen, obwohl er
sich selbst nebenbei noch als „kühnen Mädchenräuber
" bezeichnete. Er war trotz aller Arbeitsscheu
immer ein ehrlicher Mann. Die Kinder
Schrambergs sollen ihn besonders geliebt
haben, den sonderbaren Kauz, der plötzlich stehenbleiben
konnte, mitten auf der Straße oder
auf der Kirchenbrücke, seinen alten, breitrandigen
Hut ins Genick schiebend, sich sodann in
die Brust warf und mit dem rotgeblümten
Schnupftuch Kühlung zufächelte.
Der Sommer war für ihn eine herrliche Zeit, da
schlief er nachts meist im Bernecktal auf dem
Bänkle hinter dem Berneckbad, tagsüber bummelte
er im Städchen herum, oder er war wochenlang
auf Wanderschaft.
Wurde es jedoch im Herbst kühler, dann war er
oft sehr in Not mit einem Nachtlager. So wird
erzählt, daß er eines Abends einmal spät bei
einer Bäckersfrau im Flecken anklopfte und sie
um Aufnahme bat. Doch die sonst gutmütige
Frau wollte ihn nicht gerne einlassen, denn allzu
reinlich war ja dieser Hans von Stein des Abends
meist nicht anzusehen. Er stellte jedoch der
Bäckersfrau eine recht schlaue Frage: „Wenn
dich aber heut Nacht unser Herrgott ruft, und er
sagt dann auch ,Ich hab kein Platz für dich', was
dann?" Und siehe, der Hans durfte bleiben.
So manchen Winter soll Hans von Stein im
Landarmenhaus in Reutlingen verbracht haben.
Doch kaum zeigte sich im Frühling das erste
Grün, hielt er es nicht mehr aus, der alte Wandertrieb
erwachte in ihm, und er machte sich
auf den Weg, oft über die Grenze bis nach
Österreich und — in die Türkei. Immer wieder
aber zog es ihn iny die Heimat zurück. Er war

und blieb ein Schramberger, der zum Stadtbild
gehörte, bis er mit 62 Jahren im hiesigen Krankenhaus
verstarb.

Der Schnurri

Der Schnurri war im Gegensatz zum Hans von
Stein ein seßhaftes Original, der im städtischen
Spital wohnte und vom Äußeren her keinen
großen Eindruck machte. Er hieß eigentlich Joseph
King und stammte vom Tischneck.
Als kleines, gebücktes Männlein, das in einem zu
langen und zu weiten Kittel steckte, machte er,
wenn er mit dumm-pfiffiger Miene unterwegs
war, eine urkomische Figur. Manchmal soll er
eine blaue Schürze umgebunden gehabt haben,
was aber nicht besagt, daß er im Spital einer
arbeitssamen Beschäftigung nachging. Vielmehr
war er fast das ganze Jahr über auf Gratulationstour
im Städtchen unterwegs. Er war eben doch
ein recht schlauer Bursche, denn er kannte alle
Namenstage seiner Gönner und Freunde auswendig
und tauchte am Festabend auch jeweils
im Hause des Betreffenden auf, um seine Gratu-

Der Schnurri

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