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lationsvisite zu machen. Seine eigenartige
Sprechweise, ein undeutliches Gemurmel, wurde
nur etwas verständlicher beim „Schnurren",
so nannte man das Hausbetteln. Dabei hatte der
Schnurri das Betteln gar nicht nötig, er wurde
im Spital reichlich versorgt. Schnurri machte es
mehr aus Liebhaberei, dieses Betteln in den
hiesigen Bürgershäusern, sei es um Essen oder
um Kleidung. Oftmals bat er um die unmöglichsten
Dinge „für die Schwester Oberin!". Einmal
hatte sich Schnurri den Arm verstaucht, da gab
ihm die Schwester Oberin ein bißchen Schnaps
zum Einreiben. Bald stellte sich jedoch heraus,
daß der Patient die innerliche Anwendung vorgezogen
hatte. Der Schwester erklärte er daraufhin
pfiffig, er habe die Wirkung der „Medizin
" bis in den Arm hinauf versoürt.
Die Schramberger Kinder versuchten den
Schnurri gelegentlich zu ärgern. Dies machte
den Schnurri fuchsteufelswild, und er soll oftmals
geschrien haben: „Messer rauszieha, himmelblau
schla, seil sot mr dia!" Dazu hatten ihn
natürlich die Kinder getrieben, dennoch blieb
die Freundschaft zwischen Schnurri und ihnen
ungetrübt.
Der Harschierle
Wer hat nicht schon von der Moosmannshöhle
gehört, die droben auf der Hochsteig heute
noch zu finden ist?
Dort hauste der Harschierle (sein Vater war
„Hartschier" = Amtsdiener, Büttel gewesen) zu
Ende des letzten Jahrhunderts als rechter Sonderling
und Einsiedler. Sein eigentlicher Name
war Gregor Moosmann (1801-1872), davon
hat die Höhle bis heute ihren Namen. Er wohnte
dort den ganzen Sommer lang. Im Grunde war
er ein recht gutmütiger Mensch, der niemand
etwas zuleide tun konnte. Mit allen Tieren im
Wald war er gut Freund und vermißte die Gesellschaft
der Menschen nicht. Hatte er doch,
wie wir heute auch, schon sein „Hobby". Er war
nämlich ein recht guter Maler und vor allem
Krippenbauer, und es sollen heute noch in den
Höfen um Lauterbach einige Krippen von ihm
vorhanden sein. Für viele Schramberger Familien
hat er Krippenfiguren angefertigt. Doch
auch auf mancher Hochzeit in Schramberg und
Lauterbach wurde er recht fröhlich und angeregt
gesehen, um nach etlichen Glas Wein sogar
poetisch zu werden „Lieber trink ich ein Glas
Wein, als ich geh' in hohlen Stein!", so soll er
gedichtet haben. Und doch stieg er spät nachts
immer wieder in seine felsige Behausung zurück
, und die Käuzchenrufe von der Ruine Ho-
henschramberg herüber störten seine weinselige
Stimmung nicht im geringsten. Winters aber
wohnte der Harschierle bei seinen Verwandten
in Schramberg. Vor einigen Jahren nun entdeckte
man so ein „Harschierle-Werk" auf einem
Dachboden, verstaubt und verblaßt. Es ist ein
Verdienst des früheren Hausmeisters Stephan
Hinger (Schloßschule), dieses Bild mit viel
Sorgfalt von Staub, Ruß- und Lackschichten befreit
und ganz restauriert zu haben. Im alten
städtischen Krankenhaus an der Berneckstraße
hing es jahrelang im Haupteingang zur Chirurgischen
Abteilung. Viele Schramberger werden
sich wohl noch daran erinnern. Es stellte eine
Kreuzigungsgruppe dar, eine echte Golgotha-
Stimmung, bei der die Volksmenge in äußerst
ergreifender Darstellung erschien. Es war kein
eigentliches Kunstwerk, aber dafür ein Har-
schierle-Original, das echtes Empfinden dieses
Einsiedlers wiedergab.
Fridolin Schinle hat uns von diesem Harschierle
noch eine weitere nette Episode überliefert. Er
hat ihn nämlich noch persönlich gekannt: In
den letzten Lebensjahren des Harschierle soll es
gewesen sein, als dieser eines Abends vom
Bernecktal kam. Müde von einem Rundgang
über Purben und Ramstein, trabte er mit einem
Säcklein, das an einem Stock baumelte, dem
Flecken zu. Er soll damals einen schneeweißen
Vollbart getragen haben. Nicht in den Ort hinein
ging er, sondern er nahm den Weg zum Falkensteiner
Kirchlein. Er trat ein und schloß die Tür
hinter sich. Die Dämmerung war schon hereingebrochen
, und es war Zeit zum Angelusläuten.
Da trat ein altes Weiblein schnaufend in das
Kirchlein und kniete im dunklen Raum zur Andacht
nieder. Plötzlich erhob sich auf der Kanzel
ein Haupt mit langem, weißem Bart, der in
der Dämmerung stark abstach, und es erschallte
eine furchterregende Stimme durch die Kirche:
„Weib, dein Gebet ist erhört!" Das Weiblein
ergriff die Flucht, der Harschierle aber nahm in
der Kirche sein Nachtquartier und schlief auf
seinem Ranzen in der Kanzel bis zum frühen
Morgen.
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