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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_05/0061
Die wohlfeile Sofie

Ihr eigentlicher Name war Sofie Schmid. Sie
führte im Flecken ein kleines Ladengeschäft, in
dem man alles kaufen konnte, was man sich
seinerzeit wünschte. Schon am Eingang stapelte
sie einen Teil ihrer Waren auf: Spezereien, Seifen
und Kerzen, Schmuck wie Broschen und Fingerringe
, Weiß- und Wollwaren und noch vieles
andere. Doch all das soll sich in einem bunten
Durcheinander dargeboten haben. Ihre Kundschaft
war sehr weitgestreut, zumal sie alles
spottbillig feilbot und sogar Kredit gewährte. Im
Vertrauen auf die Ehrlichkeit ihrer Kundschaft
fragte sie nie nach den Namen der Kunden,
sondern schrieb einfach auf: „Gegenüber dem
Kirnbach 20 Pfennig, am Roßgumpen 10 Pfennig
, hinter dem Spital 5 Pfennig, bei der Mühle
30 Pfennig. Ob sie wohl bei dieser Art der Buchführung
immer zu ihrem Geld kam? Die Kinder
jedenfalls kamen dank ihrer Güte immer zu ihren
„Gutsle".

Die Ganterlene

Sie war eine vornehme Erscheinung, war sie
doch zu ihrer Zeit die erste Modistin in Schram-
berg. Alle wohlhabenden Bürgersfrauen kauften
bei ihr ihre Sommer- und Winterhüte, mit denen
man dann in der Kirche und beim sonntäglichen
Spaziergang angenehm auffallen konnte.
Ihr Putzgeschäft befand sich neben dem alten
Poststall an der Stelle des heutigen Geschäftes
Peter Renz. Der Laden hatte ein Schaufenster, in
dem die Lene die neuesten Modeschöpfungen
ausstellte. Da sah man Kapotthüte mit Samtbändern
, geeignet mehr für ältere Damen, doch mit
viel Geschick dekoriert, z.B. mit einer Reiherfeder
. Auffallendere Kreationen waren breitrandige
Stroh- und Filzhüte mit langen Straußenfedern
. Garnieren war für die Lene kein Problem,
sie setzte sogar Vögel, schimmernde Colibris
etwa, auf Samthüte. Was den neuesten Modetrend
anging, war sie stets auf dem laufenden. Es
wird außerdem berichtet, daß die Ganterlene
sommers für die Jugend weiße Florentinerhüte
mit bunten Blumenranken oder schwarzen
Samtbändern garnierte, für ältere Damen aber
auch schwarze Spitzenhüte, verziert mit Seidenbuketts
, bereithielt. Die Damen konnten bei ihr
außerdem Strohhüte in allen Formen und Farben
kaufen. Die Kinderhüte wurden dagegen meist
in den beiden Strohhutfabriken gekauft.

Die kleinen Mädchen standen oft - schon aus
weiblicher Neugier - vor dem Schaufenster, aber
viel mehr noch zog sie das Gäßle daneben "an,
denn dort konnte man auf dem Kehrichthaufen
viele hübsche Reste und Abfälle aus der Werkstatt
der Lene entdecken: Samt und Seide, Bänderstückchen
und Filzteile, großartig geeignet
für Puppenkleidchen. Später verlegte übrigens
die Ganterlene ihr Geschäft an die Steige gegenüber
dem Hotel „Lamm".

S'Brautschäppili

In der heutigen Sängerstraße wohnte um die
Mitte des vorigen Jahrhunderts ein kleines Weiblein
, das nach den damaligen Begriffen sehr hof-
färtig gewesen sein soll. Das war wohl auch kein
Wunder, da diese Frau für alle Bräute aus der
nahen und weiten Umgebung die Brautschappel,
die Brautkrone, zu liefern hatte. Mit großem
Geschick fertigte sie die mit glitzernden Perlen
besetzten Kronen und war darauf mit Recht
stolz. Des Abends aber hat das Brautschäppili
beim Abendgebet sein Gewissen immer genau
erforscht und sich überlegt, ob es tagsüber auch
nicht zu hoffärtig gewesen war. Mitbewohner
des Hauses sollen es des öfteren belauscht und
durch ein Astloch, das in seiner Tür war, beobachtet
haben. Nach einer Reihe von Gebeten, die
das Brautschäppili mit großer Hingabe gesprochen
hatte, vernahmen sie einmal die seltsamen
Worte: „Un jetzt no für iser Herrgott selig a
Vaterunser!" Da wurde es unseren Lauschern
unheimlich, und sie schlichen verschämt und für
immer davon.

D'Majestäti

Wer hat wohl in früherer Zeit „D'Majestäti" nicht
gekannt? Sie war eine große, hagere Frau, die am
Burgweg im Hasenhäusle wohnte und meist bis
in den späten Herbst hinein im blaubedruckten
Kattunkleid und einem breitrandigen, braunen
Strohhut herumlief. Der äußere Eindruck war
also eher ärmlich als majestätisch, obwohl sie
gar nicht arm gewesen sein, sondern so viel Geld
besessen haben soll, daß sie sogar anderen Leuten
aushelfen konnte. Vielleicht hat sie eben
deshalb diesen Namen erhalten. Im Sommer
aber verwandelte sich ihr kleines Reich in ein
„Märchenschloß", vor dessen Fenstern die Nelkenstöcke
in verschwenderischer Fülle blühten,
so daß alle Vorübergehenden stehen blieben.

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