http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_06/0057
Die neue Realschule vom Mühlegraben aus
wurden sie außer in der 1. Fremdsprache gemeinsam
mit den Realschülern unterrichtet, in
manchen Fächern allerdings mit geringerer Wochenstundenzahl
. So hatten erstere in den Anfangsklassen
10 Stunden Latein, während für
letztere auf diesen Stufen „nur" 8 Stunden Französisch
vorgesehen waren. Ab Klasse 4 kam für
die Realschüler Englisch hinzu, während die
Lateinschüler ab Klasse 3 zunächst in Französisch
und ab Klasse 5 in Griechisch unterrichtet
wurden. Die Mathematik war vor allem „bürgerliches
Rechnen", der naturwissenschaftliche Unterricht
beschränkte sich fast nur auf das Fach
„Naturbeschreibung". Erst in Klasse 6 wurde
eine „Übersicht über das ganze Gebiet der Physik
" und eine „Einleitung in die Chemie" gegeben
. In der Erdkunde ging man noch „von der
Heimat zur Welt" vor, und zwar mit besonderer
Berücksichtigung der deutschen Kolonien. Der
Gang durch die Geschichte war ähnlich wie
heute angelegt, allerdings begann er schon in
Klasse 6 und verlangte selbstverständlich auch
eine „Übersicht über die württembergische Geschichte
". Erstaunlich ist, daß man damals bei
der für heutige Verhältnisse völlig unzureichenden
Hallen- und Geräteausstattung nicht nur 2
Stunden Turnen, sondern auch — wenigstens im
Sommer — 2 Stunden Turnspiele hatte.
Von Schulgeld- und Lernmittelfreiheit war noch
nicht die Rede. Im Gegenteil, selbst die Schüler
im schulpflichtigen Alter hatten Schulgeld zu
entrichten. Es betrug im Schuljahr 1906/07 für
die 1. und 2. Klasse 10 Mark, für die 3. und 4.
Klasse 16 Mark, für die 5. Klasse 24 Mark und die
Abschlußklasse gar 48 Mark pro Schuljahr. Das
war für weniger bemittelte Eltern viel Geld, und
es erforderte sicher manches Opfer, bis der Sohn
das „Einjährige" in der Tasche hatte. Zwar konnte
„bedürftigen und würdigen Schülern... dasselbe
ganz oder teilweise nachgelassen werden",
aber wer wollte im „Städtle" schon als bedürftig
gelten!
Zur Beurteilung der Schülerleistungen standen
8 Noten zur Verfügung, wobei die Noten 8 und 7
„sehr gut" waren, während die Note 1 „ganz
ungenügend" bedeutete. In den Zeugnissen gab
es damals und noch bis anfangs der 30er Jahre
eine, Zumindestens für schwächere Schüler, unangenehme
Einrichtung: Das Klassement des
Schülers - sinnigerweise „Lokus" genannt - war
aufgeführt. Welche Familientragödie wohl,
wenn der „Herr Sohn" mit einem Zeugnis nach
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