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her ein kleines Stück Land für den Eigenbedarf
bewirtschafteten. Vier Jahre später wurden 167
Taglöhner - darunter 19 Weber, Kleider- und
Strumpfwirker - und 129 Angehörige wirtschaftlich
besser gestellter Berufe gezählt - 100
Handwerker in 24 Handwerken, 18 Wirte, Krämer
und Angehörige vorindustrieller Berufe sowie
11 Bauern.
Schramberg gerät in eine Grenzlage,
wo der Hartschier seinen Dienst tut
Durch die veränderten politischen Verhältnisse
geriet die Taglöhner- und Handwerkergemeinde
in eine wirtschaftliche Randlage. Die bis 1810 zu
Württemberg gehörenden Städte und Ämter
Hornberg und Schiltach fielen nun an das neugegründete
Großherzogtum Baden, das sich stärker
gegen Württemberg abgrenzte, als es zuvor
die vorderösterreichischen Lande gegen die
württembergischen Gebiete getan hatten. Für
das nunmehr nur wenige Kilometer von der
württembergisch-badischen Grenze entfernt gelegene
Schramberg bedeutete das, nun von seinen
früheren Austauschgebieten in der unmittelbaren
Nachbarschaft abgeschnitten zu sein.
An dieser Grenze zwischen Baden und Württemberg
tat Gregor Moosmanns Vater als Grenzaufseher
, in Württemberg 'Hartschier' genannt,
Dienst. Die Familie wohnte daher außerhalb des
Marktfleckens nahe der Grenze auf dem Im-
brand, wo der Vater dem blühenden Schmuggel
Einhalt zu gebieten hatte. Der Beruf des Vaters
brachte dem Sohn Gregor den Beinamen 'Hartschierle
' ein. Da es durchaus nicht unüblich war,
die Bezeichnung des elterlichen Hofes oder den
Beruf des Vaters zur eindeutigen Kennzeichnung
dem Familiennamen des Kindes hinzuzufügen
— besonders im Fall so häufig vorkommender
Familiennamen wie Moosmann —, muß dieser
Beiname nicht von vorneherein etwas Negatives
besagen. Dennoch kann davon ausgegangen
werden, daß bei der damaligen wirtschaftlichen
Lage der - bis zur Einführung des Deutschen
Zollvereins im Jahre 1834 teilweise auf
Schmuggel angewiesenen - Schramberger Einwohner
Grenzwächter nicht zu den beliebtesten
und geachtetsten Mitbürgern zählten und die
Familie des Grenzaufsehers deshalb eine Außenseiterposition
einnahm.
Die zahlreichen Einquartierungen der Jahre
1813 bis 1816 im Gefolge der napoleonischen
Kriege, Geld- und Naturalleistungen für Kriegszwecke
, gleichzeitige Unwetterkatastrophen,
Mißernten und Teuerung verschärften die wirtschaftliche
Lage derart, daß die Gemeinde
Schramberg 1817/18 bei rund 2000 Einwohnern
73 unterstützungsbedürftige Personen und
114 Familien am Rande des Existenzminimums
aufwies. Dem Grenzwächtersohn Hartschierle
war es zu dieser Zeit immerhin möglich, ein
Gewerbe zu erlernen, was, — eine Lehre kostete
damals auch im unzünftigen Malergewerbe
Lehrgeld und der Lehrling verdiente nichts -
darauf schließen läßt, daß es seiner Familie finanziell
nicht so schlecht ging wie den meisten
Schrambergern. Die Schildmalerei gehörte zwar
nicht zu den durch die Zunftordnungen reglementierten
und abgesicherten Handwerken,
doch verbürgte sie zu Hartschierles Jugendzeit
durchaus ein gutes Einkommen. Schwarzwälder
Uhren mit bemalten Lackschilden fanden damals
weltweit so guten Absatz, daß selbst die staatliche
Gewerbeförderung diesen im badischen
Teil des Schwarzwaldes beheimateten Gewerbezweig
vermehrt in Württemberg einzuführen
trachtete.3
Gegen Armut und Bettelei: Industrieschulen
und Armenbeschäftigungsanstalt
Nach Beendigung der Lehrzeit ging Gregor
Moosmann, genannt Hartschierle, für einige Jahre
auf die Wanderschaft. Bei seiner Rückkehr in
den 1820er Jahren hatte sich bereits der erste
Industriebetrieb, die Steingutfabrik von Uech-
tritz und Faist, in Schramberg angesiedelt. Tonvorkommen
, eine auf Arbeit angewiesene verarmte
Bevölkerung, ein stattliches königliches
Darlehen und konkurrenzloser zollfreier Absatz
in ganz Württemberg sicherten die Existenzgrundlage
des Unternehmens. Als der Pachtvertrag
des damals nicht bewohnten gräflichen
Schlosses — die Herrschaft lebte zeitweilig in
Österreich —, das zunächst als Fabrikationsstätte
diente, 1822 gekündigt wurde, ließen die Steingutfabrikanten
eigene Fabrikgebäude erstellen.
Diese Bautätigkeit verschaffte auch dem gelernten
Maler Hartschierle Arbeit in dem ansonsten
von Arbeitslosigkeit gezeichneten Marktflecken,
dessen Einwohnerzahl sich zwar von 1805 bis
1846 beinahe verdoppelt hatte (1805: 1700
Einwohner; 1846: 3247 Einwohner), dessen
Gebäudebestand jedoch im selben Zeitraum nahezu
konstant geblieben war (194:196). Um der
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