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freiwillig war oder nicht, ist unbekannt. Als „Geächteter
" war er zunächst einmal aus der dörflichen
Gesellschaft ausgestoßen und zum Außenseiter
gestempelt; und ob man bereit gewesen
wäre, ihn nach jahrelangem Fenbleiben nun wieder
aufzunehmen, hätte er Arbeit gefunden, läßt
sich nicht mehr feststellen. Die allgemeine Wirtschaftslage
der damaligen Zeit spricht eher dafür
, daß er im Flecken keine Arbeit in seinem
erlernten Beruf gefunden hat. Die Schwarzwälder
Uhrmacherei - und mit ihr die Schildmalerei
- befand sich damals in einer Krise. In Amerika
und Frankreich entstandene Uhrenfabriken stellten
mit Hilfe neuartiger Maschinen preiswertere
und bessere Uhren her als die Schwarzwälder.
Dieser Konkurrenz auf dem Billiguhrsektor versuchte
man im Schwarzwald zunächst unter anderem
dadurch zu begegnen, daß man die jahrzehntelang
verwendeten, nun unmodern gewordenen
bemalten Lackschilder dieser Uhren allmählich
durch solche aus Porzellan und Messingblech
ersetzte. Auch der aus Ditzenbach,
Oberamt Geislingen, stammende Gipsermeister
Christoph Schweizer, der 1845 die kleine in
Schramberg bestehende Holzschildmalerei
übernommen hatte, folgte dem Trend der Zeit
und führte 1849 die fabrikmäßige Produktion
von Emaillezifferblättern ein, die bis dahin nur in
Frankreich betrieben worden war. Maler beschäftigte
er daher kaum mehr. Die Steingutfabrik
, in der die Maler dreißig Jahre später zu den
am besten bezahlten und entsprechend hoch
angesehenen Arbeitskräften zählen sollten, stellte
um 1850 nur Umdruckgeschirr her und benötigte
daher Kupferstecher und Kupferdrucker,
jedoch keine ausgebildeten Maler. Ob der bereits
50jährige Hartschierle angesichts des damaligen
Überangebots an Arbeitskräften überhaupt
noch eine Chance in der ihm ungewohnten
Fabrikarbeit gehabt hätte, ist ohnehin zweifelhaft
. Möglicherweise strebte Gregor Moosmann
als ausgebildeter Maler eine Beschäftigung
in der Fabrik auch gar nicht an —, Fabrikarbeit
stand unter den Handwerkern wie sonstigen
Gewerbetreibenden nicht in hohem Ansehen.

Der Schildermaler zeichnet
Krippenfiguren auf Papier

Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, begann
Hartschierle mit dem Malen von Krippenfiguren
. Abnehmer waren die Handwerker in

Schramberg und die Bauern der umliegenden
Höfe, die ihm im Winter, wenn er wegen der
Kälte seine Höhle verlassen mußte, Unterkunft
und Verpflegung gewährten, wofür er als Gegenleistung
Krippenfiguren malte. Ansonsten erhielt
er für ein 'ganzes Krippli', das aus mehreren
hundert gemalten Figuren bestand, 12 Gulden -
ein Betrag, für den damals ein festangestellter
Arbeiter der Strohmanufaktur 19 Tage, eine Ta-
schenflechterin und eine Taglöhnerin 45 Tage
und eine Flechtschülerin 144 Tage arbeiten
mußten. Ein Schildermaler mußte hierfür 30
bemalte Uhrenschilder liefern, ein Schwarzwälder
Uhrmacher drei bis vier 8-Tag-Uhrwerke
oder elf bis dreizehn 12-Stunden-Uhrwerke.
Zimmermeister Alle in Schramberg besaß ein
solches 'ganzes Krippli', von dem noch rund 700
'Kripplima(n)li' erhalten sind und uns Aufschluß
über den Krippenbau im Schramberg des 19.
Jahrhunderts geben. Die fünf bis fünfzehn Zentimeter
hohen Krippenfiguren sind ohne sichtbare
Vorlage mit Wasserfarben von Hand einseitig
auf starkes Papier, oft Abfälle veralteter Hauskalender
, gemalt und auf der unbemalten Rückseite
mit einem flachen, unten angespitzten Holzstäbchen
versehen, das mit der Spitze die Standfläche
überragt und den Papierfiguren, die mit
Hilfe dieser Holzstäbchen ins Moos gestellt werden
können, Halt gibt. Bis zu vier Meter breite
offene Mooskrippen, die aus im Wald zu findenden
Naturmaterialien wie Moos, Stockwurzeln,
Steinen, Sand und Pflanzen gebaut wurden, waren
bis in die 30er Jahre unseres Jahrhunderts in
Schramberger Bauern- und Handwerkerhäusern
allgemein üblich und wurden erst in den 50er
Jahren beinahe vollständig von den weniger
Raum beanspruchenden geschlossenen Kastenkrippen
abgelöst.5

Derartig große, offene Mooskrippen boten Fläche
für die Unterbringung einer so hohen Anzahl
von Krippenfiguren, wie Zimmermeister Alle sie
besaß, und ermöglichten auch die Aufstellung
von Simultanszenen. Außer der eigentlichen
Weihnachtsdarstellung, der Verkündigung und
der Anbetung der Könige, verfügte Zimmermeister
Alle über die bis nach der Jahrhundertwende
noch üblichen Krippenszenen wie Kindermord
des Herodes, Beschneidung, Flucht nach
Ägypten, der zwölfjährige Jesus im Tempel, die
Hochzeit zu Kana. Die Heiligen Drei Könige sind
in verschiedenen Größen und Ausführungen —

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