http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_07/0049
Eberhard Marte:
DIE ASTRONOMISCHE UHR
AM SCHRAMBERGER RATHAUS -
ZUR ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DER UHR
Am 5. Juli kommenden Jahres werden es genau
75 Jahre sein, daß die astronomische Uhr am
neuerbauten Rathaus (Bild 1) in Schramberg
zum erstenmal in Gang gesetzt wurde. So weiß
es nämlich eine ältere, noch vorhandene Beschreibung
dieser Uhr zu berichten. In den Jahren
1912 und 1913 hatte die Stadt Schramberg,
um die Jahrhundertwende durch die fortschreitende
Industrialisierung stark gewachsen, ein
neues Rathaus gebaut, das mit einem feierlichen
Festakt am Sonntag, dem 23. November 1913,
eingeweiht wurde.
Ebenso problematisch wie die Standortwahl für
das neue Rathaus, die durch das Verhandlungsgeschick
von Stadtschultheiß Harrer schließlich
entschieden werden konnte, scheint die Frage
der Ausschmückung des Hauses gewesen zu
sein. Darüber wurde nämlich im Gemeinderat
mehrfach verhandelt, wobei wohl die Architekten
Bihl und Woltz aus Stuttgart den Vorschlag
für die Ausschmückung des Vorbaues des Rathauses
durch ein großes Zifferblatt eingebracht
haben. Bihl und Woltz erhielten schließlich auch
in einem Architektenwettbewerb, der im
Rahmen des Rathausneubaues ausgeschrieben
war, den ersten Preis.
Wie aus einem Sitzungsprotokoll des Gemeinderats
vom 19. September 1912 hervorgeht, wurden
aber auch noch andere Vorschläge und Ideen
diskutiert, deren Realisierung aber bedeutet
hätte, daß man die architektonische Anordnung
des Mittelbaues des neuen Hauses mit dem Bo-
genmotiv und der Giebelabtreppung hätte ändern
müssen, was aber zum damaligen Zeitpunkt
nicht mehr möglich war. Bihl und Woltz legten
dennoch einen Entwurf vor, welcher die Realisierung
des Gegenvorschlages eines Gemeinderates
so weit als möglich berücksichtigte. Die
Abänderung war wie folgt gedacht: „Zwei allegorische
Figuren mit Attributen der Uhrmacherzunft
lehnen sich an ein Postament mit dem
Bildnis von Erhard Junghans alt. Auf dem umgebenden
Reif steht die von Gemeinderat Schaub
verfaßte Inschrift. Unter dem Kreis befindet sich
eine dreiteilige Fenstergruppe mit Blumenbalkon
. Die dreiteilige Fenstergruppe geht in einen
an das Zimmer des Stadtvorstandes angefügten
Erker".
Über den Wortlaut dieser Inschrift ist im zitierten
Gemeinderatsprotokoll nichts erwähnt. Es
wird des weiteren berichtet, daß der vorgesehene
Lieferant der astronomischen Uhr, Philipp
Hörz aus Ulm a. D., selbst in Schramberg war und
mit Stadtbaumeister Schwarz die Angelegenheit
besprochen habe. Hörz habe vorgeschlagen, an
dem Vorbau ein astronomisches Zifferblatt anzubringen
, das von einem in dem Dachreiter aufzustellenden
Uhrwerk aus angetrieben werde.
Nach dem Angebot von Hörz belaufe sich der
Preis des Zifferblattes auf 1550 Mark, in 1 mm
starkem Kupferblech ausgeführt, auf 110 Mark
mehr.
Schließlich empfiehlt der Vorsitzende, „die erste
Idee wieder aufzunehmen und das astronomische
Zifferblatt anzubringen". Beide Projekte,
Uhr und Figurengruppe, werden von Gemeinderat
und Bürgerschaftsausschuß zum Teil heftig
diskutiert, wobei die verschiedensten Argumente
ins Feld geführt werden. Befürchtet wird beispielsweise
, daß durch Anbringung eines astronomischen
Zifferblattes am Rathaus neben der
Uhr am (bereits 1893 erstellten) Postgebäude
zu viele Uhren an einem Platz zu sehen seien,
was in der Wirkung als störend empfunden werden
könnte. Man beantragt einerseits Vertagung,
andererseits Abstimmung über die beiden Projekte
. Schließlich wird mit 7 gegen 2 Stimmen
des Gemeinderats und 8 gegen 1 Stimme des
Bürgerschaftsausschusses beschlossen:
49
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_07/0049