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ten und mit seiner Hilfe Burgund in seinen Besitz
zu bringen. Doch Odo, der selbst an Burgund
interessiert war und es daher mit dem König
nicht verderben wollte, ließ Ernst im Stich. Dieser
hatte nicht nur den königlichen Willen mißachtet
, sondern war nun sogar zum Reichsfeind
geworden. Der König konnte keine Feinde im
Innern des Reichs dulden, denn dieses war
durch die Ungarn von außen auf das schwerste
bedroht. Er mußte daher über seinen Stiefsohn
die Reichsacht verhängen, die den Kirchenbann
nach sich zog. Selbst Gisela sah sich nun außerstande
, bei ihrem Gemahl nochmals als Fürsprecherin
für ihren Sohn aufzutreten. Sie befürwortete
nicht nur seine Absetzung, sondern auch die
Übertragung des Herzogtums Schwaben auf
Emsts jüngeren Bruder Hermann. Auch manche
schwäbische Adlige, die früher mit Ernst sympathisiert
hatten, rückten nun von ihm ab. Nach
Schwaben zurückgekehrt, konnte der Geächtete
nur noch wenige Getreue um sich scharen, darunter
seinen Freund und Schicksalsgefährten
Werner. Die kleine Schar versuchte Aufruhr in
das Herzogtum hineinzutragen, mußte sich aber
vor der feindlichen Übermacht unter Führung
des Grafen Manegold, der die Reichsacht zu
vollstrecken hatte, in den unwegsamen Schwarzwald
zurückziehen. Bei einem Ausfall, einer Art
Verzweiflungstat, kam es am 17. August 1030 zu
einem blutigen Gefecht mit schweren Verlusten
auf beiden Seiten: Ernst und Werner fielen mit
ihren Getreuen, aber auch Graf Manegold kam
dabei um. Emsts Leichnam wurde nach Konstanz
gebracht. Bischof Warman von Konstanz
nahm von dem Toten den Kirchenbann und ließ
ihn in der Marienkirche beisetzen. Später wurde
der Leichnam in die Familiengruft zu Roßstall in
Franken überführt.
Die historischen Quellen
Über Herzog Ernst II. von Schwaben geben nur
wenige historische Quellen Auskunft. Es sind im
wesentlichen dieselben, die schon Ludwig Unland
bei der Vorarbeit zu seinem Drama benutzt
hat, wie Tagebuchaufzeichnungen des Dichters
beweisen. Am ausführlichsten berichtet über die
Vorgänge Wipo in seinem Werk „Leben des Kaisers
Konrad" (Gesta Chuonradi Imperatoris). Er
stammte wohl aus dem Grenzgebiet zwischen
dem Herzogtum Schwaben — in den lateinischen
Quellen stets „Alemannia" genannt - und dem
Königreich Burgund, war Hofkaplan und Geschichtsschreiber
bei König Konrad und bekleidete
diese Ämter auch bei seinem Sohn Heinrich
(Heinrich III.), dessen Lehrer er war. Da die
Herrscher im Mittelalter keine feste Residenz
hatten, sondern mit ihrem Hofstaat von Pfalz zu
Pfalz zogen, ist es sehr wahrscheinlich, daß Wipo
König Heinrich im Jahr 1040 bei seinem Zug
durch das Herzogtum Schwaben begleitete und
sich Anfang März mit ihm in Rottweil (Königshof
) aufhielt. Wipo war an hervorragender Stelle
„Zeitzeuge" des Schicksals Emsts gewesen, und
auch Heinrich konnte das schlimme Ende seines
Halbbruders noch nicht vergessen haben. Auf
Schritt und Tritt mußten sie auf ihrem Weg vom
Kloster St. Gallen, in dessen Nähe die Kiburg lag,
über Konstanz nach Rottweil an jene Tragödie
erinnert worden sein, die sich 10 Jahre zuvor in
diesem Raum abgespielt hatte. Wipos Bericht
darüber läßt nicht nur auf genaue Kenntnis der
Vorgänge „aus erster Hand" schließen, sondern
beweist auch ein für die Zeit erstaunliches geographisches
Wissen, das bei der damals noch
äußerst mangelhaften Kartographie nur auf eigener
„Er - fahrung" beruhen konnte. Da ist zunächst
die Rede von der vorübergehenden Versöhnung
Emsts mit seinem Stiefvater in Augsburg
, dann von seinem Streifzug durch das Elsaß,
seinem Einfall in Burgund mit Erwähnung Solo-
thurns, das seinerzeit dorthin gehörte, seinem
Rückzug über Zürich und seinen Plünderungen
im Bereich der Klöster Reichenau und St. Gallen.
Des weiteren werden erwähnt der Hoftag zu
Ulm, Emsts Inhaftierung auf der Burg Giebichen-
stein, der Reichstag zu Ingelheim, wo Ernst sich
von seinem Freund Werner lossagen sollte, sein
Bittgang zu seinem Onkel Odo nach Frankreich
und schließlich sein Untergang im Schwarzwald
(nigra silva). Da an diesem Punkt des Geschehens
die Reichsgeschichte zugleich Heimatgeschichte
wird, sei hier größere Ausführlichkeit
gestattet: Wipo berichtet nämlich weiter, daß
sich Ernst mit seinen Getreuen in sichere
Schlupfwinkel des Schwarzwaldes zurückgezogen
, sich dort mehr schlecht als recht durchgeschlagen
und schließlich sogar durch einen
Überfall die Pferde, die sich auf einer Weide
befunden hätten, verloren habe. In seiner Not
habe er sich nun mit den Seinen aus dem
Schwarzwald herauswagen müssen, um neue
Pferde zu beschaffen. Dabei seien sie durch ein
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