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Waldgebirge (saltus silvarum) in jenen Teil Alemanniens
gelangt, der „Bara" heiße. Dort seien
sie bei einer Burg in einen Hinterhalt geraten,
und es sei dann zu einem blutigen Gefecht gekommen
, bei dem Ernst mit Werner und die
Ritter Adalbert und Werin gefallen, aber auch
der Anführer der Verfolger, Graf Manegold, und
viele Soldaten umgekommen seien.
Was ist mit „Bara" gemeint? Ist es bereits der
geographische Begriff, wie wir ihn heute in der
Schreibweise „Baar" kennen, oder noch die alte,
aus alemannischer Zeit stammende Bezeichung
für ein Gebiet, das auf beiden Seiten des Neckars
etwa auf der Höhe Oberndorfs lag und sich im
Westen bis nach Schramberg erstreckte. Im Gegensatz
zu den anderen Baaren, die nach den
Herrscherfamilien benannt wurden (Albuins-,
Adelharts-, Bertholdsbaar etc.), heißt dieses Gebiet
in den Urkunden jener Zeit einfach „Bara".
So gibt etwa Otto III. in Ingelheim u. a. Güter „in
Epfindorf, Bosinga, Mesinga, Hardhusa, Ursilin-
ga", alle „in pago (= Gebiet) Bara" gelegen, dem
Kloster Petershausen bei Konstanz. Und 1007
schenkt Heinrich II. in Frankfurt dem Bistum
Bamberg, in dessen Dom er bekanntlich beigesetzt
wurde, den Ort Seedorf „in pago Bara". Man
darf daher als gesichert annehmen, daß Wipo mit
„Bara" das oben bezeichnete Gebiet meint. Doch
wo lag die erwähnte Burg, in deren Nähe Ernst
und Werner nach tapferer Gegenwehr fielen?
Werfen wir dazu einen Blick auf die zweite
Quelle, die Annalen des Klosters St. Gallen: Sie
sind zwar etwas später entstanden, bestätigen
aber in knappem Chronikstil im wesentlichen
das, was bereits Wipo berichtet hat. Lediglich
die Rolle des Grafen Werner bei der Empörung
gegen den König wird stärker herausgestellt.
Nach dreimonatiger Belagerung sei 1027 trotz
heftigem Widerstand die Kiburg — sie lag ja in
der Nähe des Klosters — vom König eingenommen
worden. Und da ist dann noch dasjenige
Detail, das die Schramberger immer schon bewegt
hat: Bei den Eintragungen für 1030 heißt es
nämlich lapidar, Ernst habe sich, während der
König die Ungarn bekriegte, erneut gegen ihn
erhoben, sich sodann zusammen mit Werner in
einer Burg mit Namen Falkenstein („castro quod
Falchenstein dicitur") festgesetzt, und dort seien
auch Ernst und sein Widersacher Manegold mit
vielen Anhängern im Kampfe gefallen. War dieser
Ort „unser" Falkenstein? Wenn man beide
Quellen zusammennimmt, liegt der Schluß nahe
! Wie dem auch sei, für Ludwig Uhland gab es
nicht den leisesten Zweifel, daß es die Burg
Falkenstein über dem Bernecktal gewesen sein
müsse.
Die literarischen Quellen
So wie die Faust-Gestalt seit dem Beginn der
Neuzeit die Dichter immer wieder in ihren Bann
zieht, hat das ganze Mittelalter hindurch das
Schicksal Herzog Emsts die Menschen bewegt
und zu Dichtungen angeregt. Um 1180, also 150
Jahre nach Herzog Emsts Tod, entstand in Mittel-
franken die älteste erhaltene Gestaltung des Stoffes
, ein ritterlich-höfisches Epos von über 6000
Versen. Es muß bald sehr begehrt gewesen sein,
denn bereits kurz nach seiner Entstehung bat
Berthold von Andechs den Abt des Klosters
Tegernsee, ihm die Dichtung auf kurze Zeit zur
Abschrift zu überlassen. Doch diese älteste Bearbeitung
, der alle späteren im wesentlichen treu
blieben, entfernte sich in einigen wichtigen
Punkten von der geschichtlichen Wirklichkeit.
Während die Nekrologien (Verzeichnisse von
Gedenktagen) der Klöster Reichenau und St.
Gallen das Todesdatum Herzog Emsts (17. August
) noch lange fortschreiben, feiert der Held
fröhliche Urständ in der ritterlichen Dichtung,
wird auf unerklärliche Weise Sohn der Kaiserin
Adelheid und Stiefsohn Kaiser Ottos I. Motiv für
die Empörung Emsts, nun Herzog von Bayern,
ist seine Verleumdung durch einen Höfling.
Emsts blutige Rache führt zu seiner Ächtung und
Verfolgung durch den Kaiser. Fünf Jahre wehrt
sich Ernst mit seinen Getreuen, darunter sein
Freund Wetzel (= Koseform für Werner), dann
ist der Widerstand gebrochen und die Helden
begeben sich auf Kreuzfahrt. Im Orient werden
sie zu seltsamen Völkern verschlagen, müssen
manche Abenteuer bestehen, können dabei
einen prächtigen Edelstein, den „Waisen", gewinnen
, der von Konrad II. an die Kaiserkrone
zierte, und gelangen schließlich nach Jerusalem,
wo sie gegen die Heiden kämpfen. Durch Pilger
erfahrt der Kaiser, daß sein Stiefsohn noch lebe
und welche Abenteur er bestanden habe. Längst
hat er die Verleumdung Emsts durchschaut und
ist bereit zur Vergebung. Die beiden Geächteten,
Ernst und Wetzel, können daher endlich wieder
heimkehren. Am Heiligen Abend werfen sie sich
im Dom zu Bamberg im Büßergewand dem Kaiser
zu Füßen und erlangen seine Gnade.
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