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Übungen, die das Bataillon oder gar Regiment
betrafen. Als die Signale eingeübt waren, kam ich
zu meiner Kompanie zurück und wurde bei
meinem Hauptmann Hornist. Nun war ich eine
schwere Sorge los, denn ich wußte, daß ich mit
meinen Kameraden beurlaubt würde. Ich dankte
dem Oberfeldwebel und seiner Frau herzlich für
ihre gütige Fürsprache.
Im Juli 1866 kam der Ausmarsch gegen Preußen.
Der Oberfeldwebel Bäuerle von Freudenstadt
wurde pensioniert und vor dem Ausmarsch entlassen
. Ein anderer kam an seine Stelle. Ich marschierte
mit der Kompanie als Hornist bei meinem
Hauptmann aus. Bei jeder Kompanie waren
zwei Tamboure und zwei Hornisten. Den Ausmarsch
habe ich von Anfang bis Ende als Hornist
mitgemacht.
Im Gefecht bei Tauberbischofsheim fielen neben
mir zwei Mann, der eine von Böblingen, der
andere von Sindelfingen. Wir waren in Schützenlinie
aufgelöst, die ganze Kompanie hinter und
seitwärts der Kapelle unmittelbar bei den Jägern
. Mein Hauptmann, der älteste im Regiment,
namens Steimle, ein alter Mann mit weißgrauem
Bart, stämmig und feurig, stand frei und offen da,
seinen Säbel schwingend, ohne verwundet zu
werden. Er hatte von der Pike auf gedient, was
heute nur noch selten vorkommt. Ich als Hornist
war immer an seiner Seite, ich durfte allerdings
niederknien und, wenn möglich, sogar Deckung
suchen. Das war mir wegen der Wichtigkeit der
Signale sogar zur Pflicht gemacht worden, denn
auf die Signalbläser wurde nach den Offizieren
als erste gefeuert.
Ende September 1866 wurde ich mit meiner
Altersklasse beurlaubt. In Ludwigsburg oder
Stuttgart wollte ich nicht bleiben, ich hatte als
Soldat von den beiden Städten genug. Auch gingen
die Geschäfte damals schlecht. Mein Regiment
wurde von Stuttgart nach Ludwigsburg
verlegt, um dem 7. Regiment Platz zu machen,
welches von Ulm kam. Ich ging mit meinen
Kameraden heim nach Fluorn und begann, Arbeit
in meinem Beruf zu suchen. Als Soldat in der
Linie durfte man damals nicht ins Ausland, man
mußte im Königreich Württemberg bleiben.
Da uns bei unserer Beurlaubung angedeutet
worden war, daß wir bald wieder einberufen
würden, ging ich zunächst nach Schramberg. Die
Zeit war bewegt: Hinterlader wurden eingeführt
, das Exerzierreglement wurde nach preußischem
Muster geändert. Ich bekam Arbeit in
Schramberg, und zwar bei Rudolf Kopp, einem
jungen Meister, der noch nicht lange verheiratet
war. Der Lohn war viel zu gering, aber ich mußte
zufrieden sein, daß ich überhaupt Arbeit hatte,
denn es ging dem Winter zu, wo sie immer
stockte. Ich war vorher noch nie in Schramberg
gewesen. Das Städtle kam mir arg klein vor, wie
ein Dorf gegenüber den größeren Städten, wo
ich bereits gewesen war. Ich mußte gleich mit
nach St. Georgen, wo der Meister und sein Vater
an einem Neubau zu arbeiten hatten, der dem
dortigen Hirschwirt gehörte. Es war ein größerer
Doppelbau mit Schauläden auf beiden Seiten
und einem Durchfahrtstor in der Mitte, das zum
hinteren Packgebäude führte. Ich hatte die Türen
und Schaufenster einzupassen und anzuschlagen
, eine Arbeit, bei der ich sehr gut
Bescheid wußte. Wir schliefen in dem Neubau,
unsere Kost bekamen wir auch dort. Eine alte
Frau aus Schramberg mußte für uns auf einem
Notherd, der darin aufgestellt worden war, kochen
. Wir waren 6 Mann, der Meister, sein Vater,
zwei Brüder und zwei Gesellen. Das Essen war
schlecht und ungenügend, es sollte nämlich
nichts kosten. Ich mußte dennoch froh sein, daß
ich wenigstens wieder arbeiten konnte.
Als ich drei Wochen in St. Georgen gearbeitet
hatte, kam Kirchweih, „Kirbe" genannt, wo bereits
am Samstag mittag mit der Arbeit aufgehört
und am Montag überhaupt nicht gearbeitet wurde
. Daher gingen alle nach Schramberg heim. Ich
hatte erfahren, daß ein Altersgenosse von mir als
Geselle bei Schmied und Schlosser Staiger in
Burgberg unter Königsfeld arbeitete. Ich ging
daher nicht mit den anderen nach Schramberg,
sondern nach Burgberg, wo ich meinen Kameraden
antraf. Wir gingen dann miteinander über
Weiler, Mariazell, Schönbronn, Sulgen nach
Fluorn. Er kannte den Weg, während ich noch
nie in dieser Gegend gewesen war. Sie gefiel mir
nicht, denn sie war großenteils öde und leer,
mager und unbebaut. Als wir durch Schönbronn
kamen, fiel uns die schöne, neue, massive Kirche
auf. Eine solch große Kirche in einem so kleinen
Flecken! Wir betrachteten dieselbe sowie das
Pfarrhaus mit Scheuer. Die Kirchentüre stand
gerade offen. Ich wurde neugierig und wollte
auch das Innere sehen. Ein alter Mann mit einer
Zipfelkappe und blauem Wams stand davor. Ich
grüßte und fragte, ob ich das Innere der Kirche
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