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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_07/0075
reichs. Es folgte die Mobilmachung und damit
der Befehl, mich innerhalb von zwei Tagen bei
meinem Regiment zu stellen. Mit Freude und
Genugtuung darf ich hier bemerken, daß mein
Platz in der Gaishalde während der ganzen Dauer
des Krieges für mich freigehalten wurde. Ich
wußte das sehr zu schätzen, weil ich ja sonst
keine Heimat hatte.

Diesmal sollte die Einberufung nicht so einfach
verlaufen. Man wußte ja im voraus, daß man es
bei den Franzosen mit einem gut ausgerüsteten
Feind, dem Erbfeind, zu tun bekommen werde
und daß es bei den modernen Waffen, wie es
damals hieß, genug Leute kosten würde, was
dann leider auch der Fall war. Dies hätte mich
nicht sonderlich berührt, weil ich ja von 1866
bei Tauberbischofsheim wußte, daß zwar ein
großer Teil der Kugeln, beileibe aber nicht alle
treffen, wenn, ja wenn ich noch so frei gewesen
wäre wie früher, ohne irgendeinen Anhang oder
besondere Zuneigung.

Es war halt inzwischen anders gekommen! Am
2. September 1867 hatte nämlich einer meiner
Nebenarbeiter, ein Uhrenkastenschreiner vom
Kirnbach, namens Andreas Maurer, Hochzeit im
„Adler" in Schramberg mit Maria Günter, Tochter
eines Krämers von Sulgen. Ich ging am Nachmittag
mit Metzger Zuckschwerdt und dessen
Frau sowie Schreiner Leo Sohmer, der ebenfalls
seine Frau dabei hatte, dorthin. Die beiden Paare
waren noch nicht lange verheiratet. Wir setzten
uns zusammen an einen Tisch. Es war warm,
schwül, ja sogar heiß; ich war schlecht gelaunt.
Vielleicht lag es daran, daß die schwüle Luft
mich bedrückte. Die beiden jungen Frauen wußten
, daß ich ein guter Tänzer war, und wollten
daher abwechslungsweise mit mir tanzen. Mir
war aber gar nicht danach zumute. Ich saß sinnierend
auf meinem Platz. Doch sie ließen mir
keine Ruhe, und als sie sahen, daß ich nicht
tanzen wollte, neckten sie mich auf verschiedene
Art. Nun wandte sich der Metzger Zuckschwerdt
an mich: „Du bist ein merkwürdiger
Kerl, bist doch ledig und jung, und doch könnte
man glauben, Du hättest das Vaterunser
verspielt!" Die Neckerei ging weiter, namentlich
durch die beiden Frauen, so daß ich schließlich
sagte: „Wenn es unbedingt sein soll, werde ich
eben tanzen, aber nicht mit Euch. Ich tanze mit
der erstbesten, die mir unter die Hand kommt,
selbst wenn es so ein Wälderbauernmädle ist,

wie sie da herumstehen." Gesagt, getan! Es standen
in der Tat einige Mädchen da und schauten
dem Tanz zu. Ein jung aussehendes, etwas bleiches
, aber kräftiges Mädchen mit schwarzen Augenbrauen
und schwarzem Haar, das man wegen
der großen Kappe mit buntem Einsatz kaum
sehen konnte, mit einem runden Kinn und anmutigem
, freundlich lächelndem Gesicht stand
ganz in meiner Nähe. Ich faßte das Mädchen
sofort ins Auge, und ohne mich lange zu besinnen
, ging ich auf sie zu und fragte sie ganz
freundlich, ob sie mit mir tanzen wolle. Sie war
sofort einverstanden. Da reichte ich ihr galant
Hand und Arm zum Tanz, und die mich so sehr
geneckt und gefoppt hatten, schauten ärgerlich
drein. Ich war zu jener Zeit ein guter Tänzer,
befürchtete aber, es werde nicht gut gehen mit
dem Bauernmädchen. Aber ich hatte mich getäuscht
! Sie schmiegte sich an mich, und ich
spürte sofort, daß sie leicht wie eine Feder tanzte
. Ich fragte mich, wo sie wohl so gut tanzen
gelernt habe. Als die Tour vorbei war, wollte ich
das Mädchen mit an den Tisch nehmen oder ihr
wenigstens etwas von meinem Wein bringen,
doch sie verhielt sich ablehnend. Ich ließ sie
deshalb auf ihrem alten Platz stehen. Als aber die
nächste Tanztour kam, ging ich wieder auf sie zu
und bat um den Tanz, und wieder war sie sofort
bereit, obwohl ich sie zuvor stehengelassen hatte
. Nun wurde ich mutiger und fragte sie, wo sie
her sei. Ich nahm an, von Tennenbronn. Sie aber
antwortete: „Vom Hof auf dem Sulgen." Ich fragte
weiter, ob sie allein da sei. Sie sagte, eine
Schwester sei bei ihr, und zeigte sie mir auch
sogleich. Diese ließ uns, so schien es, während
des Tanzens nicht aus den Augen. Ich wußte der
Tracht nach, daß es evangelische Landmädchen
waren, deshalb wurde ich umso vertrauensseliger
. Ich fragte nun nach ihrer Wohnung und
erhielt als Antwort, es sei das Simmesbauernhaus
an der Straße ob dem „Bären".
Von nun an hatte ich dieses etwas zurückhaltende
Mädchen mit dem freundlichen, anmutigen
Gesicht stets vor Augen. Eine eigentümliche
Zuneigung überkam mich. Ich erkundigte mich
daher im stillen nach ihr.

Ich ging damals jeden Sonntag in die Kirche. Wir
waren in jener Zeit zusammen mit der Familie
Junghans etwa 30 Evangelische. Wir hielten treu
und fest zusammen. Auf der Bocksburg hatten
wir einen Betsaal gemietet, in dem sich ein

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