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Harmonium befand. Ein Pfarrverweser war
ebenfalls angestellt. Dieser gab auch den Schulunterricht
. Sonntags kamen auch Evangelische
aus der Umgebung zur Predigt. Am Sonntag nach
der Hochzeit sah ich das schwarze Mädchen in
der Kirche wieder. Nach dem Gottesdienst grüßte
ich sie freundlich, wie es junge Leute tun und
sich gehört. Das bleiche Mädchen wurde davon
rot. So gefiel sie mir noch besser. Nach und nach
wurden wir miteinander bekannt und freundeten
uns an, zunächst ganz im stillen, was umso
lieblicher und reizvoller ist. Das Mädchen war
noch arg jung und ich noch lange Soldat, der in
der Linie zu dienen hatte. Bevor man 29 Jahre alt
war, durfte man damals als Soldat nicht heiraten.
„So wird es mit uns beiden gerade recht", dachte
ich mir.
Wir hatten einander wirklich gern. Doch wer
liebt, der muß auch leiden! Auch uns blieb das
nicht erspart. Denn nach und nach wurde unser
Verhältnis bekannt. Die jungen Leute, ja selbst
die alten Weiber steckten die Köpfe zusammen
und begannen, uns zu hecheln, vor allem mich,
den Fremden. Ich wurde durch die Hechel gezogen
, und zwar derart, daß ich als lauter Kauder
hinten herausgefallen wäre, wenn ich nicht aus
so guten Fasern, aus ordentlichem Flachs und
Hanf, bestanden hätte. Alles mögliche wurde
über mich erdacht. Das Mädchen, obgleich immer
noch etwas zurückhaltend, wurde immer
liebenswürdiger und zutraulicher. Die gegenseitige
Zuneigung und Liebe wurde immer größer,
so daß wir bald glaubten, ohne einander nicht
mehr leben zu können.
Doch dann kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel
die Kriegserklärung und Mobilmachung.
Das Mädchen verzweifelte fast. Ich hatte nicht
gewußt, daß die Liebe so tiefe Wurzeln schlagen
kann, daß alles Trösten gegen das Jammern, Weinen
, Schluchzen und Stöhnen nichts hilft. Oh,
die erste Liebe! Doch ich mußte mich von ihr
losreißen und Abschied nehmen, ob für immer,
wußte ich nicht. Das Mädchen war stets in meinen
Gedanken, oft sogar im ärgsten Trubel.
Wann immer ich konnte, ließ ich von mir hören.
Die Vorsehung wollte es, daß ich wieder mit
heiler Haut und gesund heimkam, wofür ich
meinem Herrgott im stillen öfters dankte. Nun
waren wir also wieder beisammen, wußten aber
nicht, wie lange wir noch bis zur endgültigen
Verbindung zuwarten mußten. Denn nirgends
bestand die Aussicht, ein Haus mit Feld zu erwerben
oder gar zu bauen. Meine Schwiegereltern
glaubten nicht, daß man auch letzteres machen
könnte. Dennoch gaben wir die Hoffnung nicht
auf, hielten vielmehr mutig und tapfer aus. Unsere
Hoffnung wurde früher, als wir ahnten, erfüllt,
so daß wir am 26. Juni 1871 miteinander in den
Ehestand traten. Das war noch zeitig genug,
denn meine Braut war erst ganze 22 Jahre alt!
(wird fortgesetzt)
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