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phie. Er arbeitet unermüdlich an seinen Erfindungen
zur Behandlung von Rückgratverkrümmungen
, Klumpfüßen und anderen angeborenen
oder erworbenen Körperdeformationen.
1807 veröffentlicht er ein „Systematisches
Verzeichnis chirurgischer Instrumente, Bandagen
und Maschinen... welche nach beigesetzten
Preisen verfertigt werden und zu haben sind bei
J. G. Heine, Instrumentenmacher an der großh.
Universität...", also einen Katalog für die Ärzteschaft
. In seiner Werkstatt bildet er selbst seine
„Gehülfen" aus, da es ihm nicht gelingt, geschultes
Personal nach Würzburg zu bringen. In diese
Zeit (1808) fällt auch die Erfindung des Tire-
fond, eines Instruments zur Herausnahme losgebohrter
Knochenstücke bei der Öffnung der
Schädeldecke. Erste Veröffentlichungen erscheinen
in medizinischen Fachzeitungen. 1811 verfaßt
er die „Beschreibung eines künstlichen Fußes
... nebst einer mathematisch-physiologischen
Abhandlung über das Gehen und Stehen",
die von der medizinischen Fachwelt anerkennend
rezensiert wird. Auch seine Bruchbänder
werden noch einhundert Jahre später als vorbildlich
angesehen.
Spätestens jetzt, so lautet das Urteil der fast
ausschließlich medizinisch geschulten Biographen
, ist der ehemalige Messerschmied zum
Arzt geworden. Viele seiner Erkenntnisse bei der
Anfertigung von Prothesen sind bis ins 20. Jahrhundert
gültig geblieben. Die Jahre 1811 bis
1813 bescheren der Heineschen Werkstatt in
Würzburg einen weiteren Aufschwung. Im Rußlandfeldzug
haben die Rheinbundtruppen ihre
chirurgischen Apparate eingebüßt, und Heines
Auftragsbücher füllen sich mit Ersatzbestellungen
. Zahlreiche Kriegsversehrte werden in
Würzburg behandelt, und mehr und mehr erhält
der ehemalige Mechaniker freie Hand, die Behandlung
von Brüchen, Verrenkungen und Lähmungen
selbständig durchzuführen. In einer geschickten
Kombination von stationärer Behandlung
mit dem „Streckbett" und der anschließenden
Verordnung von „Tragmaschinen", die den
Patienten beim Gehen unterstützen, gelingt es
Heine, komplizierte Knochenbrüche erfolgreich
zu heilen. Im Jahr 1814 „pendelt" er für einige
Wochen zwischen Würzburg und Frankfurt, wo
er „zu höchst wichtigen Patienten in den ausgezeichnetsten
Häusern" gerufen wird und diese
erfolgreich behandelt. Hier entwickelt er zum
erstenmal den Gedanken, „bei erster schicklicher
Gelegenheit eine Heilanstalt für Deformitätsfälle
zu gründen". Der Plan für die erste
orthopädische Anstalt auf deutschem Boden gewinnt
Gestalt.
Ablehnung eines Rufs nach Berlin -
Hohe Auszeichnung in Bayern
Unerwartet bietet sich J. G. Heine die Chance,
Würzburg zu verlassen und nach Berlin zu gehen
, um an der dortigen Universität zu arbeiten.
Der preußische Generalstabsarzt Karl Ferdinand
von Graefe, Vater des bedeutenden Augenarztes
Albrecht von Graefe, macht auf der Rückreise
„aus dem ewig denkwürdigen Feldzuge der siegreichen
preuß. Armee in den Niederlanden",
also nach dem Sieg über Napoleon bei Waterloo,
halt in Würzburg. Auf sein Betreiben hin erhält
Heine im Dezember 1815 einen Ruf nach Berlin.
Er fühlt sich geschmeichelt, lehnt aber schließlich
ab, vor allem deshalb, weil die inzwischen
wieder bayerische Obrigkeit in Würzburg nicht
nur sein Gehalt erhöht, sondern ihn auch finanziell
für die bisher dem Juliusspital leihweise
überlassenen chirurgischen und orthopädischen
Apparate entschädigt. Die bayerische
Regierung erkennt, daß sie mit Johann Georg
Heine einen weithin anerkannten Fachmann unter
ihren Untertanen hat. Und so erfolgt am 30.
April 1816 die feierliche Verleihung der Goldenen
Zivil-Verdienst-Medaille, die kein geringerer
als der bayerische Kronprinz Ludwig im Operationssaal
des Juliusspitals dem „in feierlicher
Ankleidung" erschienenen Heine überreicht. Lesen
wir, wie Heine selbst diesen Tag später beschreibt
: „Im Innersten tief gerührt über ein so
unerwartetes Glück, und voll der höchsten Ehrfurcht
stand ich vor einem, wegen seines Hochsinnes
und seiner angeborenen Menschenfreundlichkeit
allverehrten Thronerben, den ich
bei dieser feierlichen Gelegenheit das erste Mal
zu sehen das Glück hatte... Wenn Könige das
Verdienst erkennen und belohnen, so ist dieß
immer die schönste Lobrede, die deshalb den
Königen und ihren Rathgebern gebührt." Noch
wichtiger aber ist für Heine die jetzt gegebene
Möglichkeit, seinen Plan von einer eigenen orthopädischen
Anstalt zu verwirklichen. Im ehemaligen
Stephanskloster werden ihm Räume zur
Verfügung gestellt, die Heine als Wohnung und
Werkstatt, aber auch bereits für die stationäre
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