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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_08/0041
erhält auch hier das Doktordiplom, und wenige
Jahre später darf er sich Professor nennen. Natürlich
gibt es auch unter den Etablierten in
Würzburg manche, die diese steile Karriere des
einstigen Handwerkers mit Neid verfolgen.
Doch Heines Ruf beschränkt sich nicht auf
Würzburg. Er wird Mitglied in zahlreichen akademischen
Körperschaften, auch außerhalb Bayerns
, die er dann auch stolz auf der Titelseite
seiner „Lebensverhältnisse" aufführt (Abb. 2).
In dieser Zeit bestehen enge Kontakte zwischen
Würzburg und Jena-Weimar. Der aus Franken
stammende sächsisch-weimarische Kanzler —
wir würden ihn heute Justizminister nennen —
Friedrich von Müller (1779-1849) spielt hierbei
eine wichtige Rolle. In den „Unterhaltungen
Goethes mit Müller" finden wir Hinweise darauf,
daß Goethe über die Arbeit Heines in Würzburg
informiert war, ja daß er sogar dessen Probleme
mit der dortigen Ärzteschaft und den Behörden
kannte. Goethes Bemerkung dazu: „Das ist die
alte Erfahrung: sobald sich etwas Bedeutendes
hervortut, alsbald erscheint als Gegensatz die
Gemeinheit, die Opposition. Lassen wir sie gewähren
, sie werden das Gute doch nicht unterdrücken
."

Goethe kennt die Veröffentlichungen Heines
und nimmt sie in seine Bibliothek auf. Er lernt
den „Operateur Heine" an der Tafel des Großherzogs
Karl August kennen und ist von ihm so
angetan, daß er ihn in sein Haus am Frauenplan
einlädt. Am 16. April 1824 lesen wir in Goethes
Tagebuch: „Operateur Heine und Kanzler von
Müller zum Besuch." Auf Wunsch des Großherzogs
und Goethes erhält der Hofmaler Johann
Joseph Schmeller den Auftrag, Heine zu zeichnen
, und Goethe vermerkt in seinem Tagebuch
am 20. April: „Kam Schmeller von Jena und
zeichnete Dr. Heine." Neueste Forschungen
über diese Kontakte haben ergeben, daß in jenen
Jahren die Errichtung einer „Filiale" des Karolinen
-Instituts in Jena erwogen wurde, woran der
fünfundsiebzigjährige Goethe „im Rahmen seiner
oberaufsichtlichen Leitung aller unmittelbaren
Anstalten für Wissenschaft und Kunst" offenbar
sehr interessiert war. Die Forschungen über
die Kontakte zwischen Heine und Goethe haben
die medizinisch und orthopädisch orientierten
Biographen bislang kaum interessiert, so daß es
darüber erst wenige Veröffentlichungen gibt.
Für den historisch-literarisch interessierten Forscher
ist hier sicher noch manches aus den
Archiven aufzuarbeiten. Auch das eingangs erwähnte
„Vernehmungsprotokoll" kann vielleicht
noch mehr Aufschluß geben.

Die dunklen Jahre
(1829-1838)

In zweifacher Hinsicht ist die Zeit nach 1829 ein
dunkles Kapitel in Johann Georg Heines Biographie
. Er selbst erlebt einen jähen Abstieg in
seiner so erfolgreichen Laufbahn, und zum zweiten
sind die Quellen aus jenen letzten zehn
Jahren recht unergiebig. Zwei „Schulen" in der
Beurteilung von Heines Spätzeit lassen sich ausmachen
. Da sind einmal die Medziner, die Heine
anerkennen, solange er „bei seinem Leisten
bleibt", d. h. den Schwerpunkt seiner Arbeit in
der Orthopädie und Chirurgie sieht. Dann sind
da die Orthopädiemechaniker, die Heine als
„einen der Ihrigen" feiern, auch dann noch, als er
sich in Gebiete versteigt, die mit seinem eigentlichen
Aufgabengebiet nichts mehr zu tun haben.
Gewiß hat Heine auch schon in seiner Würzburger
Zeit die „ganzheitliche" Behandlung des orthopädisch
Kranken praktiziert, daher auch sein
Interesse an einem eigenen Institut, wo er die
Patienten ständig unter Beobachtung hatte und
auf ihr Gesamtbefinden Einfluß nehmen konnte.
Nun aber beginnt er am Ende der zwanziger
Jahre auch damit, innere Krankheiten zu behandeln
, ohne die nötigen Kenntnisse zu besitzen.
Dabei geht er mit Methoden vor, die auch in
seiner Zeit nicht mehr gültig waren. Es kommt
zum schweren Konflikt mit der Würzburger Ärzteschaft
, und die jahrzehntelange gute Zusammenarbeit
ist beendet. Nach einem Ausflug nach
Scheveningen im Jahr 1828, wo Heine im Selbstversuch
Bäder nimmt, entschließt er sich 1829,
Würzburg den Rücken zu kehren. Er übergibt
das Karolinen-Institut seinem Neffen und
Schwiegersohn Bernhard Heine und übersiedelt
ins „Königreich der Vereinigten Niederlande",
wie der vom Wiener Kongreß geschaffene Doppelstaat
aus Holland und Belgien damals heißt.
Er muß mit dem Hof des Königs Wilhelm I. in
Verbindung gekommen sein, denn er gewinnt
dessen Gunst und die Erlaubnis, in Brüssel und
in Den Haag Häuser für die Errichtung von Instituten
zu erwerben. Das Brüsseler Haus will er
seinem Sohn Joseph anbieten, doch dieser lehnt
ab. Möglicherweise hat auch der Unabhängig-

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