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blieben war und erst durch neuere Nachforschungen
einiger Heiligenbronner Schwestern
erfaßt werden konnte, liegt in Fuchsens Biographie
. Am 2. April 1825 wurde David in Billafingen
als unehelich gezeugtes Kind der Susanne
Vonier geboren. Seine Mutter hatte vier Monate
zuvor clen Tagewerker Mathias Fuchs geheiratet,
der aber nicht der leibliche Vater des Jungen
war, wie das Taufbuch ausdrücklich vermerkt.
Diese Spannung und die Armut der Familie
verhießen dem Kind keine gute Zukunft.
Tatsachlich bekam David erst mit sechs Jahren
den Nachnamen des Ehemannes seiner Mutter,
d. h. erst da wurde er von diesem als Kind angenommen
. Bereits zwei Jahre später mußte er
aber seine Eltern verlassen und als „Dienst- und
Hütebub" in ein fremde Familie nach Schönebürg
gehen. Fuchs hat also einen Teil des Schicksals
seiner späteren Schützlinge selbst erlebt.
Ein Glück hatte Fuchs dabei: Er wurde in die
landwirtschaftlich reiche Region Oberschwaben
hineingeboren. Dieses Gebiet holte sich
sogar über Jahrhunderte eine große Zahl kindlicher
Saisonarbeiter aus den Alpenländern, welche
durch Führ-, Hüte-, Stalldienste etc. die Bauern
entlasteten.
Wir können das Los dieser kindlichen „Gastarbeiter
" mit dem einheimischer behinderter,
verwaister oder durch elterliche Armut von
Verwahrlosung bedrohter Kinder vergleichen.
Allen fehlte ein schützendes Elternhaus in erreichbarer
Nähe. So waren sie „ihrem" Bauern in
jeglicher Hinsicht ausgeliefert, zumal es bis Ende
des Jahrhunderts zu keiner effektiven staatlichen
„Aufsicht... auf ihre physische, intelectuelle und
moralische Erziehung" kam.
Die württembergische Armen-Kommission erklärte
1822 „die Vorliebe der oberschwäbischen
Bauern für die Ausländer" mit der Unwahr-
scheinlichkeit, „daß württembergische junge
Leute bei gleich schlechter Behandlung,
Kleidung, Kost und Belohnung sich freiwillig
zum Dienste bei den oberschwäbischen Bauern
verstehen, ... daher sich am Ende der Württemberger
noch glücklich schätzen muß, daß nur
solche fremde junge Leute sich zu einem so
traurigen Dienste noch hergeben". Es sei weiter
festzustellen, daß diese Kinder „die härteste Arbeit
nicht scheuen, an Entbehrungen aller Art
gewöhnt sich mit schlechter Kleidung, geringer
Kost und kleinem Lohn begnügen... sich nach
und nach ganz nach Wunsch und Willen des
Bauern abrichten lassen". Hier wie in vielen
ähnlichen Quellen sorgte man sich in erster
Linie über „die Belästigung der Reisenden durch
den Straßenbettel solcher fremder Kinder", da
„dergleichen arme Kinder selbst sogar gerne,
während sie das Vieh auf dem Felde hüten, die
Reisenden auf der Straße anbetteln". (Zitate
nachUhlig, S. 141)
Fuchs hatte das Glück, einen „guten" Bauern zu
bekommen. Die Jäckles nahmen ihn nicht nur in
die Familie auf, sie finanzierten ihm sogar sein
Theologiestudium und unterstützten ihn später
in seinem Heiligenbronner Werk. Er hatte aber
die familiäre Entwurzelung und Not selbst erfahren
und sicher das Elend anderer Hütekinder
beobachtet.
Die Folgen dieser sozialen Prägung deuteten
sich bereits im Priestersemianr an, wo er die
Verwaltung der Armenkasse übernahm. Als er
aber die Lage der bedürftigen Kinder im armen
Schwarzwaldvorland sah, war sein Plan schnell
gefaßt. Ohne eigenes Kapital, aber mit unerschöpflichem
Gottvertrauen, Ideenreichtum
und rastloser Energie begann er im Mai 1856, ein
Haus in die Nähe seines Kirchleins zu bauen
(Gebäudeteil rechts der heutigen Klosterpforte
). Die notwendigen Mittel und die tätige Mithilfe
durch Nachbarn, Bauern umliegender Gemeinden
, befreundete Pfarrer und später auch
die Grafen erschloß er sich in aufreibender Betteltätigkeit
, die er angesichts des wachsenden
Werkes bis zu seinem Tod nicht mehr aufgeben
konnte. Staatliche Hilfe gab es nicht.
Das wirtschaftliche und pädagogische Rückgrat
dieses Heimes sollten Schwestern des Dritten
Franziskanischen Ordens bilden, deren „Mitgift"
schon zu Beginn des Unternehmens ein wesentlicher
Bestandteil seines Kapitals war, wie Fuchs
später mehrfach betonte. Eine der im Frühjahr
1857 einziehenden Kandidatinnen brachte Geld
mit, eine andere eine Kuh usw. Franziskanische
Armut mußte nicht künstlich hergestellt werden
, mit der Anlage des Gemüsegartens begann
der Kampf ums Überleben.
Am 9. September 1857 konnte Dekan Binder
durch Einkleiden der ersten fünf Kandidatinnen
das Kloster eröffnen, zum Rettungshaus wurde
es schon eine Woche später, als Pfarrer Rittelmann
aus Beffendorf die ersten vier Mädchen
brachte.
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