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Einige der ersten Schwestern mit Oberin M. Franziska Glöckler
Wir haben Fuchs, der nun Beichtvater der klösterlichen
Gemeinschaft war, als starke Persönlichkeit
und konfliktfreudigen Tatmenschen
kennengelernt, der seine vielfältige und harte
Arbeit jahrelang ohne Urlaub verrichtete. Er
konnte streng und auch stur sein. Eine große
„Schwäche" hatte er aber: Seine Liebe zu benachteiligten
Kindern. Nach Aussage seines Priesterfreundes
Erasimy brachte er es nicht fertig, auch
nur ein begründetes Gesuch um Aufnahme in
sein Heim abzulehnen. So war das Haus ständig
überfüllt und mußte immer wieder erweitert
werden. Ab Sommer 1860 nahm man auch taubstumme
, 1868 die ersten blinden Kinder auf.
Wenn Karola Schraut, die Fuchs 1927 in rührender
Weise alle nur erdenklichen guten Eigenschaften
zuschreibt, ihn als „Wiedererwecker
mittelalterlich großzügigen Caritasgeistes" feiert
, übersieht sie eine wichtige Leistung in einseitiger
Ablehnung der Früchte der Aufldärung.
Für mittelalterliches Denken bildeten die Armen
nämlich einen notwendigen Stand von religiöser
Bedeutung. Sie boten den Gläubigen Gelegenheit
zu verdienstlichem Tun. Folge dieses Menschenbildes
war eine Almosenpraxis nach dem
„Gießkannenprinzip", von der vor allem die vielen
trickreichen Berufsbettler profitierten. Auch
die Spitäler und Orden, die undifferenziert allen,
die aus eigener Kraft nicht überleben konnten
(verwaiste und ausgesetzte Kinder, kranke und
behinderte Erwachsene usw.) Verpflegung und
Dach boten, zielten letztlich nur auf eine Wiederherstellung
der Fähigkeit, in Armut (also von
Bettelei) zu leben, aber nie, durch Bildung o. ä.
aus diesem Stand aufzusteigen.
Für Fuchs war es dagegen keine Frage, daß man
den Kindern neben einem Zuhause in klösterlich
geregelter „Großfamilie" auch eine Lebensvorbereitung
durch geeignete Lehrer geben
mußte. Er unterrichtete selbst und schickte früh
fähige Ordensfrauen zur entsprechenden Ausbildung
nach Augsburg, Dillingen, Schwäbisch
Gmünd und Paderborn. Obwohl kein Theoretiker
, informierte er sich ständig über neue Entwicklungen
auf diesen Gebieten. Seine Anstalt
gehörte methodisch zu den führenden des Landes
. Tagungen von Behindertenlehrern und der
Besuch der Königin waren sichtbarer Ausdruck
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