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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_08/0064
Roland Löffler:

UNVERÖFFENTLICHTE BRIEFE ZUR DEUTUNG
VON LEBEN UND WERK VINZENZ ERATHS

Infolge der Ausstellung des Fördervereins zur
Heimatpflege Waldmössingen („Vinzenz Erath -
ein dichterisches Zeugnis seiner Zeit"1)) wurden
den Organisatoren bis dahin unbekannte Briefe
zugänglich, die die Ergebnisse der Ausstellung
fortschreiben bzw. in einem teilweise neuen
Licht erscheinen lassen.

Insgesamt handelt es sich um sechs Briefe, deren
zeitliche Niederschrift automatisch zwei Gruppen
ergibt: Die eine, vier Briefe aus dem aus
insgesamt 36 Briefen bestehenden Nachlaß2) des
Theologen Franz Eble, geb. 3.10.1852 in Waldmössingen
, gest. 3.5.1929 in Baindt bei Ravensburg
. Franz Eble befand sich zusammen mit seinem
Bruder Karl (geb. 1853, gest. 1923) in der
theologischen Ausbildung in Rottweil, Tübingen
und Rottenburg. Von diesen Orten stammen die
meisten der Briefe; die Adressaten sind vor allem
die Eltern und die Schwester Maria (geb. 1867,
gest. 1942).

Franz Eble entspricht dem „Onkel Severin" der
Romane, „Onkel Simon", der beliebtere geistliche
Onkel des Helden Florian Rainer (alias Vinzenz
Erath), verkörpert in Wirklichkeit Karl
Eble, und Maria Eble ist die Mutter, Martha Men-
ton, der Romane.

Die andere Gruppe, ein Briefwechsel zwischen
Eugen Rembold aus Reutlingen und Vinzenz
Erath, besteht aus zwei Briefen und stammt aus
dem Jahr 1955. Er ergänzt besonders die bisher
bekannten Informationen über die politische
Dimension des Lebenswerkes Vinzenz Eraths.
In Eraths erstem Roman „Größer als des Menschen
Herz" erscheint der Name „Rembold" in
Gestalt eines „Unterlehrers", der den Dorfkindern
an ihrem ersten Schultag in Tundersdorf ( =
Waldmössingen) nicht gerade vertrauenserwek-
kend begegnet: „Das war also der gefürchtete
Unterlehrer Rembold, der Kinderschreck, der
Prügelmeister, vor dem drei Schulklassen wie
Espenlaub zitterten. Sein Gesicht war breit und
voll und rötlichblau angelaufen, übersät mit lauter
Pickeln, die ihm etwas Abstoßendes, Menschenfeindliches
verliehen. Nein, er gefiel mir
nicht, dieser Lehrer. Auch war seine Stimme
krächzend und rostig wie die Stimme eines Trinkers
. Er trinke auch viel, tuschelte man sich zu,
und Friedel hatte zuhause schon erzählt, er rieche
nach Schnaps. Diesem Mann also war ich für
die Zukunft ausgeliefert."3)
Auf diese Textstelle nimmt der Brief Rembolds
eingangs auch Bezug:

„Eugen Rembold Reutlingen,
Reutlingen 10 januar 1955

Seestr. 14

Lieber Herr Erath!

5 Sie erinnern sich meiner wohl noch, der ich
seinerzeit im hiesigen Volksbildungshaus Ihre
verschiedenen Vorträge über Paul de La-
garde, Nietzsche, Hölderlin, Goethe usw.
nachstenographierte. - Nun sah ich schon

10 längere Zeit hier Ihr Buch „Grösser als des
Menschen Herz" ausgestellt und äusserte
mehrmals den Wunsch, dass ich dieses
Buch, nachdem ich Ihre weltanschauliche
Einstellung kannte, gern besitzen würde.

15 Meine Tochter hat mir nun meinen Wunsch
erfüllt und das Buch zu Weihnachten geschenkt
, worüber ich mich natürlich sehr
gefreut habe. Ihr Buch hat mich begeistert,
besonders hinsichtlich der natürlichen und

20 realen Schilderung auch der kleinsten Dinge
des menschlichen Lebens. — Der Gestalt des
Unterlehrers Rembold wird allerdings kein
so gutes Zeugnis ausgestellt!
Persönlich würde es mich auch interessie-

25 ren, von Ihnen zu erfahren, wie es Ihnen in
der Zeit des Krieges und des Umsturzes ergangen
ist. Ich konnte nur aus dem Prospekt
des „Rainer Wunderlich Verlag", von
dem ich auch Ihre Adresse erfuhr, entneh-

30 men, dass Sie so allerhand auch mitzumachen
hatten und dass sie das Leben sehr
hart angefasst hat. Wohl die wenigsten Men-

64


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