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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_08/0065
sehen sind ja ganz glatt durchgekommen.
Wir in der Seestrasse sind im Februar 1945
auch ausgebombt worden und mussten 3
Jahre lang auch primitiv hausen, jetzt wohnen
wir wieder im alten Haus, nur im 3.
Stock. Während damals unsere Wohnungseinrichtung
einigermassen erhalten blieb
nach dem Angriff, hatten beim Einmarsch
die Schwarzen vollends die Möbel zerschlagen
, sodass wir jahrelang auch mit der Wiederinstandsetzung
und Neuanschaffung zu
tun hatten. - Glücklicherweise konnte ich
von 1946—1950 noch nebenberuflich als
Landtagsstenograph beim Landtag für
Württ.-Hohenzollern in Bebenhausen tätig
sein, um zusätzlich etwas für die notwendig
gewordenen Anschaffungen zu verdienen.
Aber es ist vorbei und wir wollen nur hoffen
, dass wir vor einer neuen Katastrophe
bewahrt werden!

Nun aber zurück zu Ihrem Buch. Welches
Interesse Ihr Buch gefunden hat, zeigt sich
darin, dass es doch von den verschiedensten
Schichten unseres Volkes gelesen wurde
. Im November v.J. hörte ich u.a. morgens
7 Uhr im „geistlichen Wort" Pfarrer Daur
von Stuttgart, welcher mir während seiner
Reutlinger Tätigkeit wegen seiner freien liberalen
Einstellung sehr zusagte. Daur zitierte
nun in seinem geistlichen Wort auch
einige Sätze aus Ihrem Buch in zustimmendem
Sinn und zwar aus dem Kapitel über
„Aussatz", die besonders psychologisch gesehen
, grosse Bedeutung hätten.

Ich glaubte, Ihnen dies von mir Gehörte
nicht vorzuenthalten. Wie geht's Ihnen und
Ihrer Ib. Familie? Gerne würde ich einmal
etwas von Ihnen persönlich hören. Vielleicht
führt Sie Ihr Weg auch einmal nach
Reutlingen und ich würde mich freuen, Sie
begrüssen zu dürfen.

Für heute wünsche ich Ihnen weiterhin alles
Gute und begrüsse Sie mit Ihren Lieben
bestens

Ihr

gez. Eugen Rembold
und Frau"

Die Antwort Vinzenz Eraths (s. u.) bestätigt noch
einmal das bereits Bekannte, daß er tatsächlich
recht frei mit dem Namensrepertoire seiner
Erinnerung umging.4)

Interessanter aber sind einige Stellen des Briefes,
die Rückschlüsse auf die politische Einstellung
von Schreiber und Adressat zulassen.
Aus der Biographie V. Eraths wissen wir um seine
Mitarbeit im Verein für Volksbildung Reutlingen
von 1936-1938 und seine kurzfristige Leiterfunktion
an der Volkshochschule Reutlingen
1939. Aus dieser Zeit sind seine Kurse (1936
„Einführung in Alfred Rosenberg, der Mythus
des 20. Jahrhunderts" oder, 1938, die Gestaltung
zweier Morgenfeiern im KdF-Haüs in Reutlingen
) bekannt.

Diese Tatsachen werden nun auch in ihrer inhaltlichen
Gewichtung durch die Erwähnung
von Vorträgen Eraths über Paul de Lagarde5),
Nietzsche, Hölderlin und Goethe verstärkt. Bekanntlich
wurden diese Berühmtheiten nationalsozialistisch
vereinnahmt, was bei P. de Lagar-
de freilich nicht erst erforderlich war, da er in
der Tradition der deutschen Heimatkunstbewegung
und des französischen Regionalismus
schrieb und beispielsweise einen Antisemitismus
, aus religiösen Gründen motiviert, propagierte
.

Nietzsches Übermensch-Ideologie und Hölderlins
(Hyperion) Leidensfähigkeit waren Identifikationsangebote
der frühen und späten nationalsozialistischen
Ära.6)

Diese Angaben bestätigen zunächst jedoch nur,
daß sich der Dichter mit Kulturgut, das die
Nationalsozialisten für förderungswürdig hielten
, beschäftigte. Seine genauen Ausführungen
hierzu sind unbekannt und die in Rembolds Brief
erwähnten Stenogramme nicht erhalten.

Eugen Rembold starb am 20.1.1964 bei einem
Verkehrsunfall. Leider ist nicht mehr zu erfahren
, welche „weltanschauliche Einstellung"
(Zeile 13 f) Rembold an Vinzenz Erath zu kennen
glaubte.

Seine eigene Einstellung, wenn er z. B. von „Umsturz
" (Zeile 26) oder vom „Einmarsch (der)
Schwarzen" (Zeile 40 f) spricht, scheint nicht
die Reflexionsstufe einer Schuldproblematik erreicht
zu haben.

Die Antwort Eraths erfolgte nahezu postwendend
und lautete:

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