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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_08/0073
Schultheiß Eberhardt:

MEINE LEBENSZEIT (3. Fortsetzung)

In Heft 5 wurde mit dem Abdruck der Lebenserinnerungen von Schultheiß Eberhardt (1844-1922)
die er schlicht "Meine Lebenszeit" nannte, begonnen. Er erzählte zunächst von seiner Kindheit und
Schulzeit in Fluorn, seiner Schreinerlehre in Dornhan und seinem Auszug als Handwerksbursche im
Jahre 1861. In Heft 6 folgte sein Bericht über seine Gesellenzeit in Südbaden und in der Schweiz,
angereichert mit mancherlei politischen und privaten Erfahrungen. 1865 mußte er zur Rekrutierung
in das Oberamt Oberndorf zurückkehren, wo er gemustert und zum 3. Infanterieregiment nach
Stuttgart einberufen wurde. In Heft 7 schilderte er dann seine Soldatenzeit, dabei besonders die
Schlacht bei Tauberbischofsheim im „Bruderkrieg" 1866, seine Entlassung und Rückkehr in das
Zivilleben und seine Heirat.

In dem nun folgenden 4. Teil berichtet er vom Hauskauf in Sulgau, von der Arbeit in der „Geißhalde",
dem Beginn als Selbständiger und der spannenden, aber auch intrigenreichen Sulgauer Schultheißenwahl
im Jahre 1874.

Der Bärenwirt Graf starb ganz rasch, und zwar an
Blutvergiftung. Er hatte sich nämlich beim Reisigmachen
im Wald geritzt, aber die kleine Wunde
nicht beachtet. Nach drei Tagen war er eine
Leiche. Sein Haus wurde nun feil, weil die Witwe
mit ihrer Tochter nach Hardt ging. Wir kauften
es, obwohl es teuer war. Aber wir hatten nun
wenigstens ein Haus, ohne das wir an eine Heirat
nicht denken durften und auch nicht wollten.
Am 22. März 1871 war der Kauf des Hauses mit
2.350 fl (= Gulden) als Kaufschilling, wovon bei
der gerichtlichen Erkenntnis (Bestätigung) 500
fl in bar bezahlt werden mußten. Die Erkenntnis
wurde am 3. April 1871 auf dem Rathaus ausgesprochen
. Ich hatte auf der Gewerbebank in
Schramberg gerade 500 fl beisammen, die ich
sofort abheben konnte, was ich auch tat. Der
Simmesbauer hatte alles, bloß selten Geld! Am 2.
April abends brachte ich die 500 fl dem Simmesbauer
nach Sulgau. Meine Braut hatte bereits das
ihrige beigesteuert und mir übergeben. Ich zählte
das Geld in eine Schüssel, die man aus der
Küche herbeigeholt hatte: Papiergeld, Silbermünzen
und französische Goldstücke — deutsche
gab es damals noch nicht, aber bald darauf.
Nun hatte ich meine ganze Barschaft in die
Schüssel gelegt, mehr hatte ich zur Zeit nicht.
Den Rest der Kaufschillings in Höhe von 1.850 fl
für das leere Haus — sogar das Thermometer
hatte man abgeschraubt und mitgenommen —
mußte ich in vier Jahresraten mit 5 % Zins jeweils
an Martini von 1871 bis 1874 bezahlen.
Das war damals keine Kleinigkeit. An Heiratsgut

von der Mutter bekamen wir für 700 fl Feld, dazu
eine Kuh im Wert von 150 fl. Diese mußten wir
aber nach einem halben Jahr für 77 fl an einen
Juden verkaufen, weil sie nicht ganz gesund war.
Mein Weib erhielt als Aussteuer einen Zimmer-
und einen Küchenkasten, ferner zwei einfache
Bettladen mit Bett, Helm (Decke) und Strohsack
, dazu ihre Kleider und etwas Weißzeug für
den Notfall. Ich hatte einen Kasten, meine
Kleider, eine Hobelbank und etwas Werkzeug.
So sah unser gemeinsamer Anfang aus!
Wir hatten nun ein Haus, wenn auch ein leeres,
dazu vier Morgen Feld und eine Kuh, aber auch
1.850 fl Schulden. In Schramberg hatte ich noch
mein Zimmer mit Bett, zwei Stühlen, einem
Tisch und Sofa. In Kost war ich bei Metzger
Zuckschwerdt. Das war sehr teuer! Um keine
Miete mehr bezahlen zu müssen, zog ich in das
Haus nach Sulgau. Mittags aß ich weiterhin in
meinem alten Kosthaus in Schramberg, morgens
und abends bei meinen künftigen Schwiegereltern
. Mein Einzug mit Kasten und Hobelbank
erfolgte Ende April, meine Braut stellte mir ein
Bett. Einen Tisch und zwei Bänke nebst zwei
Lehnstühlen kaufte ich um 7 fl vom früheren
Hauseigentümer, der sie bei seinem Auszug zurückließ
. Ehe ich mich am ersten Abend in dem
leeren, stillen Haus niederlegte, betete ich zu
meinem Gott, ja auf den Knien bat ich ihn, er
möge mir doch das Haus, das Obdach, erhalten -
nicht füllen, bloß erhalten - auf daß ich in ihm
gesund und zufrieden wohnen könne. Mein Gebet
wurde erhört!

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