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Rechnung zu arbeiten. Ich wollte als Möbel- und
Bauschreiner tätig sein, wollte alles machen, was
verlangt würde, selbst wenn es Saustalltüren
sein sollten. Ich sagte bei mir: „Komme, was
wolle, ich wag's!" - Man ließ mich ungern gehen,
machte mir sogar Vorhaltungen, aber ich blieb
bei meinem Entschluß. Außerdem traute ich
damals der Fabrik nicht. Ich befürchtete nämlich
, daß alles eines Tages wieder aufhören könnte
, weil die Zeit sehr bewegt war.
Am 1. Mai 1874 eröffnete ich mein Geschäft. Ich
war in Sulgau und Umgebung noch fremd, auch
war Sulgau damals noch arg klein. Mit einem
gewissen Bangen und doch mutig machte ich
mich an die Arbeit. Zuerst mußte ich Bretter und
weiteres Werkzeug anschaffen. Eine Kammer
diente mir als Werkstatt. Ich arbeitete ein halbes
Jahr, ohne einen einzigen Pfennig einzunehmen.
In dieser Zeit machte ich bloß Schulden. Zum
Glück hatte ich noch keinen großen Haushalt.
Ich kratzte mich manchmal hinterm Ohr und
dachte: „So kann es nicht weitergehen! Du Esel,
wärst Du doch in der Fabrik geblieben! In dieser
Zeit hättest Du gut und gerne 200 fl verdient!"
Ich hätte in der Tat wieder in die Fabrik gehen
Gattin von Schultheiß Eherhardt in Sulgauer Tracht
können, denn bei meinem Weggang hatte man
mir gesagt, daß ich jederzeit wieder kommen
könne. Aber mein Inneres sträubte sich dagegen.
Mein Wahlspruch war damals:
Wer sich mit seiner Arbeit nährt,
Mit dem begnügt, was ihm beschert,
Der hat ein fein und ruhig Leben,
Das heißt: Der Schätze besten heben!
Ich hatte bald einen größeren Vorrat beisammen
, Kästen, Bettladen, Tische etc., aber noch
immer nichts verkauft. Eines Tages kamen zwei
Bekannte aus Schramberg, die mit mir Soldat
gewesen waren, in die Wirtschaft „Bäckerhäus-
le" in Sulgau und fragten beim Wirt und Bäcker
Haas nach meinem Befinden. Dieser meinte, es
werde nicht mehr lange gehen, dann werde er
das Haus wieder verkaufen müssen, es sei nämlich
zu teuer gewesen. Der Bursche könne sich
in dem Häusle nicht halten, man wisse nicht
einmal, was er arbeite. Hin und da sehe man ihn
Holz spalten. Das war eine schöne Empfehlung!
Die beiden Schramberger bedauerten mich und
meine schlechte Spekulation und meinten, daß
sie das nicht von mir erwartet hätten. Ein halbes
Jahr darauf kam ich in die Brauerei Burkhart in
Schramberg, wo die beiden gerade saßen. Sie
kamen sofort auf mich zu und fragten, wie es mir
gehe und ob ich das Haus noch habe. Ich war
darob ganz baff und erwiderte, daß es nicht feil
sei und ich es nicht zu verkaufen gedenke.
Daraufhin teilten sie mir Tag und Stunde der
Äußerung des Nachbarn und Wirts Haas mit und
drückten mir ihr Bedauern aus. So können Wirte
sein, bei denen man jeden Sonntag einkehrt! —
Eines schönen Tages kam ein Mann von Wald-
mössingen, namens Ahner, und sagte, er müsse
rasch für die Aussteuer seiner Schwester, die
nach Schramberg heirate, Möbel haben. Soeben
habe er erfahren, daß ich Aussteuermöbel auf
Vorrat habe. Ich zeigte ihm sofort meinen Vorrat.
Er war zufrieden und froh, weil alles da war, was
er brauchte. Was er mir abkaufte, gab zwei Wagen
voll und war in der Tat eine große Aussteuer.
Es war mein erster Kunde und nach einem halben
Jahr meine erste Einnahme. Ich arbeitete
Tag und Nacht mit viel Eifer und Fleiß. Nach und
nach kam einer um den andern, und ich wurde
allmählich bekannt. Ich mußte billig arbeiten,
um Kundschaft zu bekommen. Außerdem war
ich bemüht, zuvorkommend, freundlich und bescheiden
gegen jedermann zu sein. So wuchs
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