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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_08/0078
mal die Feder halten!" Ich nahm den Mann beim
Wort und fragte ihn, ob Mauch mich tatsächlich
einen hergelaufenen Kerl genannt habe. Das
konnte ich mir nicht bieten lassen, erst recht
nicht auf dem Rathaus. Ich hatte seit meinem
Anfang hier niemandem etwas in den Weg gelegt
, auch nicht dem Mauch. Ein Fremder war
ich zwar, aber ob ich hergefahren oder -gelaufen
war, ging ihn überhaupt nichts an. Und als „Kerl"
wollte ich mich auch nicht titulieren lassen. Der
Mann war übrigens Barthle Schuler aus Schönbronn
.

Ich war sonst bescheiden und bewahrte ruhig
Blu\, das aber war zuviel. Ich zog mich rasch
wieder um und ging zurück aufs Rathaus. Es war
aber schon abgeschlossen. Deshalb ging ich weiter
zur Wirtschaft „Bäckerhäusle". Da saß das
ganze bürgerliche Kollegium. Ich fragte sofort
nach dem Schultheiß. Man gab mir zur Antwort,
daß er gerade heimgegangen sei. Ich lief ihm
nach und erwischte ihn zu Hause, als er gerade
den Rock auszog. Ich stellte ihn wegen der
Äußerungen von Mauch zur Rede. Er wollte der
Sache aus dem Wege gehen und meinte, der
Mauch habe viel gesprochen. Er sei aufgeregt
gewesen, weil er mit seiner großen Stimmenzahl
Schultheiß werden wolle. Aber etwas Besonderes
habe er nicht gesagt. Als ich ihn noch einmal
ausdrücklich befragte, konnte er nicht mehr länger
ausweichen und mußte Mauchs Äußerungen
bestätigen. Daraufhin erklärte ich: „Vor einer
halben Stunde habe ich zum drittenmal abgelehnt
, das Schultheißenamt anzunehmen. Nach
diesen herabwürdigenden Äußerungen im Kollegium
bin ich jedoch zur Übernahme des Amtes
bereit." Auf Befragen teilte er mir mit, daß meine
letzte Erklärung schon abgeschickt worden sei.
Ich fragte ihn nun, ob er eine nochmalige Erklärung
niederschreiben wolle, wenn nicht, wisse
ich die Feder sehr wohl zu halten. Er antwortete,

daß er es wohl tun müsse, wenn ich es partout
verlangte. Ich diktierte ihm nun folgendes: „Aufgrund
der gemachten Äußerungen von Seiten
des Gemeinderats Mauch vor dem Kollegium
heute vormittag auf dem Rathaus (es folgten nun
wortgetreu die Äußerungen) habe ich mich entschlossen
und bin bereit, das Amt eines Ortsvorstehers
hier anzunehmen. Dem vor einer halben
Stunde angefertigten Protokoll mit meinem
Nein hiermit nachgesandt" (Unterschrift etc.).
Nun gingen wieder ein paar Tage ganz ruhig und
still vorüber. Ich kam nirgends hin, ging aber bei
der Arbeit in der Kammer so manchem Gedanken
nach. Es schmerzte mich, daß alles so gekommen
war, obwohl ich doch niemand etwas
zuleide getan hatte. Ich mußte die Wahrheit des
Sprichworts fühlen: Fremd ist Elend! - Nach
etwa sechs Tagen war im „Schwarzwäider Boten
" und Staatsanzeiger folgendes zu lesen: J. G.
Eberhardt, Schreiner, ist zum Ortsvorsteher von
Sulgau ernannt.

Der Bärenwirt Waller, mein Nachbar, brachte
mir die Zeitung an die Hobelbank. Im Moment
war ich ganz verblüfft, und Angst überfiel mich.
Auch der Wirt merkte, daß es mir nicht ganz
angenehm war, denn ich spürte, was mir bevorstand
, welche Arbeit und Verantwortung ich mir
aufbürden würde und mit welchen Persönlichkeiten
ich zu schaffen hätte. Wie würde das
werden? Wie sollte das enden? Im Grunde hatte
ich ja das gar nicht gewollt. Außerdem war es
eigentlich ein Ehrenamt, und dafür hatte ich zur
damaligen Zeit nicht viel übrig. Mein Weib und
meine Schwiegereltern hatten im stillen Angst
um mich, weil sie glaubten, ich sei der Sache und
meinen Gegnern nicht gewachsen. Andererseits
waren sie doch auch erfreut, weil sie es nicht für
möglich gehalten hatten.

(Schluß folgt)

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