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Lienberg
Der Lienberg, mdal. Leaberg oder Lehenberg, ist
wohl die größte und schönste Gemeindeparzelle
von Sulgen gegen Aichhalden hin. Die Lien-
berger können immer ein wenig früher mit dem
Ernten beginnen. Die Gemeinde Aichhalden
durfte bis zur Gebiets- und Grenzbereinigung
mit Schramberg-Sulgen in den 70er Jahren einen
großen Teil des Lienberg ihr eigen nennen.
Schon die Rottweiler Reichsstädter kamen bei
ihren Jagdzügen in diese Gegend. Sie waren auf
dem „Lehenberg" bereits im 13. Jahrhundert auf
der Pirsch. Der Chronist berichtet: „So hatte
Hans von Landenberg endlose, schwierige Fehden
mit den Rottweilern zu bestehen. Den Anlaß
gaben immer wieder neue Pirschstreitigkeiten.
Rottweil hatte nämlich schon im 13. Jahrhundert
einen Forstbezirk inne, der sich bis hinauf
an den Tischneck und von da über den Friedrichsberg
und den Sulgerberg nach Sulgen, so
fort über den Lehenberg nach Aichhalden usf.
dem Neckar zu erstreckte."
Der Lienberg umfaßt heute alle Häuser beiderseits
der Aichhaider Straße ab Haas-Laser
GmbH und Mauser-Werke GmbH bis zum Lienberg
10 (Stefan Obergfell). Von dort verläuft die
Markungsgrenze über die Villa Kneißler zur
„Waldeslust" (H. Lux), Lienberg 59, dann weiter
nach Süden zum Haus Lienberg 56 (Wilhelm
Kopp) und wieder ostwärts über die Aichhaider
Straße zu den Häusern Lienberg 21 (August
Langenbacher) und 22 (Karl King). Der Roßwald
und der Paradieshof westlich vom Lienberg
gehören schulisch und kirchlich zur Talstadt,
und zwar unter der Bezeichnung „Paradieshof"
1, 4, 6, 10 und 11.
Innerhalb der Lienberg-Grenzen finden sich die
alten Hofnamen Benediktshof, Moosmichelshof,
Sägermartinshof, Kimmibaschishof und Kirnmi-
chelshof, die alle nach ehemaligen Hofbesitzern
benannt sind. Baschi z.B. ist von Sebastian abgeleitet
. Weitere Hofnamen sind der Rappenbauernhof
, der Winterseppenhof und der Lochhof;
letzterer wurde schon beim „Löchle" erwähnt
und zu erklären versucht. Bei ihm treffen ähnliche
Voraussetzungen wie dort zu: Steilabfall zum
Glasbach, Quell- bzw Brunnenvorkommen und
Grenznähe.
Der Name läßt verschiedene Deutungen zu. Der
frühere Archivar Wilhelm Haas leitet ihn von
liene = Spitzahorn ab. Nach Keinath steckt in
diesem Namen mhd. le = Hügel. Das Wort
bezeichnet besonders Grab- und Grenzhügel,
die von Menschenhand gebaut wurden und bei
denen sich häufig alte Gerichtsstätten befanden,
z.B. Burtinleh, Geigerieh, Michelleh, Lehberg,
Lehwiesen. Fast bei jeder alten Siedlung aus
alemannischer Frühzeit ist ein „Leh" nachzuweisen
. Diese alten Hügel sind heute allerdings
meist vollständig eingeebnet.
Weitaus näher liegt, daß Lienberg (Lehenberg
von mhd. lehen) den Grund und Boden bezeichnet
, der vom rechtmäßigen Besitzer ausgeliehen
ist.
Das Lehen (mlat. feudum, feodum) war ein Gut,
das der Grundherr seinem Beständer (Lehensmann
) auf eine gewisse Reihe von Jahren (Mergellehen
, Meliorationslehen) oder auf Lebenszeit
(Leiblehen, Fallehen, Schupflehen) oder
auch dessen Nachkommen (Erblehen) verlieh,
und zwar entweder bloß in der männlichen Linie
(Mann-, Schwert-, Axtlehen) oder auch in der
weiblichen Linie (Weiber-, Spindellehen).
Der Lehenbauer mußte dem Herrn „gelten", d.h.
Zins bezahlen, u. a. Abgaben in Form von Naturalien
, wie z.B. Hühner, Eier, Fische, Salz, Öl, Gänse
, Schweine, Butter, Käse, Rüben, Erbsen, Bohnen
, Zwiebeln, Flachs, Wachs und manchmal
sogar Dung (Mist). Eine ursprünglich „auf Bitten
" des Grundherrn gegebene, später aber dauernd
erhobene Steuer war die „Bete" (mhd. bete,
bet = Bitte, Gebot, Abgabe), z.B. die Korn- und
Weinbete (Betwein). Ursprünglich waren „Beten
" bei den Kelten Weihegaben für die Gottheiten
. Später dienten sie zum Unterhalt der Priester
und Weihestätten.
Die Leihrechte kamen in fränkischer Zeit auf.
Fronland und Salland mit dem Fronhof und Sal-
hof als Mittelpunkt blieb derjenige Teil des Eigentums
, den der Grundherr selbst bewirtschaftete
. Der größere Teil des grundherrschaftlichen
Besitzes wurde gegen Abgaben von Naturalien
an Lehensleute ausgegeben. Solche Abgaben waren
meist auf Sebastiani (29. Januar), Lichmeß
(2. Februar), Georgi (23. April), Michaelis (29.
September), Galli (16. Oktober) und Martini
(11. November) zu entrichten und galten als
„jährlich, ewig und unablöslich". In den Jahren
um und nach 1840 wurden die letzten noch
bestehenden Lasten und Abgaben durch bestimmte
Geldsätze abgelöst.
(wird fortgesetzt)
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