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Intensität aber auch Philosophie, Botanik, Zoologie
sowie die englische Sprache. Neben diesen
Studien pflegte er gesellige Unterhaltung, besuchte
Tanzgesellschaften und nahm an Fastnachtsvergnügen
teil. Seine äußere Erscheinung
in jener Zeit wird als schlank und hochgewachsen
beschrieben. Er war gegen jedermann, gleich
welchen Standes, freundlich und aufgeschlossen.
Wohltuend soll es gewesen sein, ein Gespräch
mit ihm zu fuhren.
Kronprinz Karl von Württemberg setzte seine
Studien noch im Jahr 1841 an der Universität
Berlin fort, und hier sieht man ihn Unter den
Linden promenieren, findet ihn als gerngesehenen
Gast am Kgl. Preußischen Hof in Sanssouci,
trifft ihn aber auch im Kreise hervorragender
und oft liberal gesinnter Geister. Männer wie
Alexander v Humboldt, Leopold v Ranke und
Schelling finden sich in seiner Umgebung, aber
auch eine Bettina v. Arnim, die in ihrer Vision
vom Volkskönig Karls edlen Charakter rühmte
und in den künftigen Monarchen große Erwartungen
setzte.
Die Bildungsreisen, die der Kronprinz ab 1843
unternahm, führten ihn zunächst nach Holland,
dann nach England, wo er den Duke of Wellington
kennenlernte, dann nach Schottland und
Irland. In Begleitung des Freiherrn von Berli-
chingen bereiste er von Ende 1843 bis zum
Sommer 1844 Italien, besuchte Städte wie
Verona, Parma, Florenz, Neapel, Rom, begegnete
Künstlern und klassischen Kunstwerken. Nach
seiner Rückkehr aus dem Süden blieb er, von
kurzen Reisen nach Wien, Dresden und Prag
abgesehen, zu Hause, denn auch in Stuttgart
hatte er reichlich Gelegenheit, mit Leuten von
Geist und Adel in Verbindung zu treten. Hier
lernte er Franz Liszt kennen, begegnete Hector
Berlioz sowie den berühmten italienischen
Wundergeigerinnen Maria und Teresa Milanollo.
Hier übernahm er auch das Protektorat über die
„Glocke", einen im Oktober 1843 gegründeten
Kreis von Gelehrten und Künstlern. Am 6. Dezember
1844 wurde ihm von seinem Vater König
Wilhelm ein Sitz im Geheimen Rat, dem
höchsten Kollegium, zugeteilt, und am 18. November
1845 erhielt er den Rang eines Generalmajors
. 1845 — 52 wurde gegenüber dem Kgl.
Landhaus Rosenstein durch den Baumeister
Leins die Villa Berg errichtet. Dabei konnte Karl
profunde Kenntnisse in der Blumenzucht und im
Gartenbau erwerben, beides später eine Lieblingsbeschäftigung
zusammen mit seiner Gemahlin
.
Als der Kronprinz 1845/46 mit seinem Gefolge
in Palermo weilte, lernte er dort die junge Großfürstin
Olga Nikolajewna kennen, eine Tochter
des russischen Zaren (Abb. 4). Sie war eine
Enkelin der Königin Luise von Preußen und
zeichnete sich, wie Zeitgenossen zu berichten
wissen, durch Schönheit, Anmut und große geistige
Bildung aus. Beide verbrachten zusammen
herrliche Tage in der südlichen Landschaft. Nach
kurzer Verlobungszeit wurde das Paar am 13. Juli
1846 in Peterhof bei St. Petersburg getraut. Nach
ein paar glücklichen Wochen im Kreis der Zarenfamilie
erfolgte die Heimreise über Stettin, Berlin
, Weimar, Würzburg nach Mergentheim, wo
den Neuvermählten auf württembergischem Boden
ein stürmischer Empfang bereitet wurde.
Von da an gestaltete sich die Reise zu einem
wahren Triumphzug, bis sie schließlich unter
Kanonendonner und Glockengeläute in der
Stuttgarter Residenz Einzug hielten.
Das hohe Paar widmete sich von Anfang an der
Wohltätigkeit. Der Sommer 1846 war extrem
heiß und trocken und brachte daher überall
Mißernten. In der folgenden Hungerzeit erwies
sich die Kronprinzessin als große Wohltäterin an
den Armen des Landes. Sie übernahm die Schirmherrschaft
über zahlreiche soziale Anstalten, wie
sie denn auch zeitlebens ihre Aufgabe darin sah,
Not lindern zu helfen.
Beim Ausbruch der Revolution von 1848 befand
sich König Wilhelm von Württemberg zur Kur in
Meran, und so ruhte die politische Verantwortung
auf den Schultern des Kronprinzen. Doch
während anderswo Blut floß, so etwa in Wien,
Berlin und Teilen Badens, und Monarchen ihr
Land fluchtartig verlassen mußten, verlief in
Stuttgart die Revolution eher glimpflich, und der
Kronprinz mußte weder für sich noch die Seinen
fürchten.
Bis zum Regierungsantritt Karls sollten noch
gute 17 Jahre vergehen, während deren den
Königlichen Hoheiten ein eher beschauliches
Leben vergönnt war. Sie wohnten meist im Neuen
Schloß in Stuttgart oder in der Villa Berg. Sie
zeigten beide großes Verständnis für Kunst und
Wissenschaft und besuchten gerne Konzerte
und Theater. Es erfolgten gemeinsame Reisen
nach St. Petersburg und Moskau sowie nach
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