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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_11/0065
kämpfe - diese setzten erst nach der Jahrhundertwende
vermehrt ein -, und auch in den
Streikstatistiken stand Württemberg mit an letzter
Stelle9. Die Aufhebung des sogenannten „Sozialistengesetzes
" 1890 und die Gründung eines
Sozialdemokratischen Vereins in Schramberg
1891, aber auch der Eintritt Dr. Lindthorsts in
die Leitung der Steingutfabrik von Villeroy &
Boch änderte die politische Richtung des
Schramberger Porzellanarbeiterverbandes. Er
trat daher 1893 zu den der Sozialdemokratie
nahestehenden „Freien Gewerkschaften" über.
Wichtige Hinweise konnte der Porzellanarbeiterverband
auch den Metall- und Holzarbeiterorganisationen
geben, die 1893 eigene Zahlstellen
für die Entrichtung von Mitgliedsbeiträgen für
die Industriearbeiterschaft aufbauten10. Zwischen
dem Vorsitzenden der nun eher mit dem
politischen Programm der SPD sympathisierenden
Porzellanarbeitergewerkschaft, Josef Knops,
und dem bei den Arbeitern der Steingutfabrik
unbeliebten und autoritär-konservativen Dr.
Lindthorst kam es immer wieder zu heftigen
Auseinandersetzungen. „Nachdem er unter der
Fuchtel des damaligen allgewaltigen Direktors
Dr. Lindthorst genug hatte", wie es in einem
Zeitungsbericht der „Schwarzwälder Volks-
wacht" hieß, kündigte Josef Knops bei Villeroy &
Boch und begann in der Uhrenfabrik Gebrüder
Junghans zu arbeiten11.

Obst- und Gemüsehändler
(1900-1941)

Als branchenfremder Arbeiter hatte Josef Knops
in der um die Jahrhundertwende schon über
3000 Beschäftigte zählenden Uhrenfabrik Gebrüder
Junghans keine großen Verdienstmöglichkeiten
und Aufstiegschancen. Im Jahr 1900
wagte er daher den Schritt vom Fabrikarbeiter
zur beruflichen Selbständigkeit und gründete in
der damals noch als „Hintere Gasse" bezeichneten
Marktstraße eine Obst- und Gemüsehandlung
(Abb. 3). Das Wohn- und Geschäftshaus, das
bei der 1920 durchgeführten Straßennumerierung
die Hausnummer 14 erhielt, wurde von
Maria Knops in die Ehe eingebracht. Sie hatte das
wahrscheinlich bei der Brandkatastrophe im Jahre
1805 abgebrannte und wenig später wieder
aufgebaute Gebäude, das sich ursprünglich im
Besitz des Seifensieders Benedict Hils befand,

von ihrer Mutter Josepha Rapp geb. Gresser
geerbt. 1845 hatte ihr Vater Xaver Rapp, der
seine siebenköpfige Familie als Wagner ernährte,
das Haus für die Summe von 1700 Gulden erworben
.

Die Aussichten, um die Jahrhundertwende mit
der Gründung eines eigenen Geschäftes wirtschaftlichen
Erfolg zu haben, waren recht gut
und veranlassten manchen Fabrikarbeiter, dieses
Risiko einzugehen. Innerhalb weniger Jahre entstand
im Zusammenhang mit der Industrialisierung
in Schramberg eine Vielzahl spezialisierter
Einzelhandelsgeschäfte. Schramberg war durch
das große Angebot an Arbeitsplätzen und die
relativ hohen Fabriklöhne ein wichtiger Industriestandort
in Württemberg geworden, der viele
Arbeitskräfte anzog. Neben den aus den Um-
landgemeinden kommenden Pendlern, die bereits
um 1900 18% der Industriearbeiterschaft
stellten, kamen auswärtige Arbeiter aus allen
Teilen des Deutschen Reiches und sogar aus
Italien und Polen nach Schramberg. Der hohe
Tagesverdienst von zwei Mark und zwanzig Pfennig
, der nur noch in der Landeshauptstadt Stuttgart
und drei anderen württembergischen Industriezentren
übertroffen wurde, ließ die Einwohnerzahl
rasch in die Höhe steigen und in den
Seitentälern große Mietshäuser für die Familien
der Fabrikarbeiter entstehen. Mit dieser schrittweisen
und bis weit in die Nebentäler hineinreichenden
„Urbanisierung" gaben immer größere
Teile der Bevölkerung die herkömmliche Versorgung
aus eigener Landwirtschaft auf. Zwar
hatten auch einige der großen, von Arbeiterfamilien
bewohnten Häuser, wie man sie vor dem
ersten Weltkrieg beispielsweise im Berneckoder
Lauterbachtal baute, noch kleine Gemüsegärten
, und die Pendler aus den Nachbarorten
kamen zum Großteil aus der Landwirtschaft,
aber der Anteil der von der Versorgung durch
den Handel abhängigen Industriebevölkerung
erhöhte sich von Jahr zu Jahr. Moderne Verkehrsmittel
, wie die 1892 von Schiltach nach
Schramberg gebaute Eisenbahn, ermöglichten
einen überregionalen Warenaustausch, der Produkte
aus großer Entfernung in kurzer Zeit nach
Schramberg bringen konnte. Diese Veränderungen
in der Lebenshaltung und im Güterverkehr —
um die Jahrhundertwende wurden im Schramberger
Güterbahnhof bereits ca. 50 000 Tonnen
umgeschlagen — boten dem nach einer einträg-

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