Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_11/0076
ten die Geschäfte. Was auf den Feldern gepflanzt
und geerntet wurde, zehrten die Soldaten, die
hier im Quartier lagen, größtenteils auf.

Von den sechs Kindern, die dem Ehepaar im
Laufe der Jahre geschenkt wurden, starben fünf
in den ersten Lebensjahren. So blieb Magdalene,
wiewohl das erste Kind, das einzige, und da sie
sich zu einem schönen, kräftigen Mädchen entwickelte
und auch in ihrer geistigen Entwicklung
ihren Altersgenossinnen weit voraus war,
hal ten ihre Eltern an ihr viel Freude und sorgten
auch auf das gewissenhafteste für eine gute Erziehung
.

Daß sie nun aber hinter ihrem Rücken mit Wilhelm
angebandelt hatte, bereitete ihnen viel
Kummer. Denn sie wußten sehr wohl, daß ihre
Tochter in keiner Weise in die Benz-Familie
passen würde. Magdalene hatte nämlich einen
bewundernswerten Humor und ein wohltätiges
Herz. Damit war sie aber das genaue Gegenstück
zu der Familie Benz, Wilhelm ausgenommen.
Dieser galt bei den Dienstboten im elterlichen
Haus, bei den Nachbarn und allen andern, die mit
ihm zu tun hatten, als sehr anständig, fleißig und
wohltätig gegen die Armen. Allerdings wollte
man bei ihm auch eine Neigung zur Schwermut
festgestellt haben, die man jedoch dem unglücklichen
Verhältnis zu Magdalene zuschrieb.

Wilhelms Mutter wurden allerlei Neuigkeiten
über die Familie Prechter zugetragen, und zwar,
wie das bei solchen Anlässen im allgemeinen der
Fall ist, mehr böse als gute. So erzählte ihr die
Botin, die jede Woche einmal mit einem Handkarren
nach Königsfeld und Villingen fuhr - sie
wurde, weil sie etwas beschränkt war, „der Däp-
pel" genannt -, daß sie der „Küfer Prechteri" jede
Woche ein Viertelpfund gebrannten Kaffee von
Villingen bringen müsse. Der dortige Kaufmann
habe ihr gesagt, daß der Küfer Prechter selbst ihn
bestellt habe, wahrscheinlich trinke auch er gerne
Kaffee. Sie müsse übrigens vielen Weibern im
Ort hellinge Kaffeebohnen bringen, ohne daß
deren Männer etwas davon erfahren dürften.

Das war in den Augen von Wilhelms Mutter in
der Tat eine schlimme Sache. Sie nannte es
Verschwendungssucht, wenn Leute, deren Anwesen
noch nicht einmal schuldenfrei war, sich
derartigen Luxus leisteten. Noch schlimmer war
es, daß weder Magdalene noch ihre Mutter wie
andere Weibsleute Kittel strickten. Das war für

sie ein deutliches Zeichen von Faulheit. Am
schlimmsten war nach ihrer Meinung jedoch die
Stellung von Magdalenes Vater. Wenn sie wenigstens
die Tochter eines Kleinbauern wäre statt
die eines Handwerkers, der an jedem Kunden
froh sein mußte! Und so eine sollte sie als
Schwiegertochter in ihr Haus aufnehmen!

Auch der alte Benz stellte seinem Sohn immer
wieder vor Augen, welch bodenloser Leichtsinn
es wäre, wenn er als vermögender Mann ein
völlig mittelloses Mädchen heirate. Sein öffentliches
Ansehen würde darunter leiden, und die
Dienstboten würden niemals Achtung vor einer
Hausfrau haben, die aus einfachen Verhältnissen
stamme.

Wilhelm ließ sich von diesen Vorhaltungen nicht
beirren. Im Gegenteil! Am Namenstag der Magdalene
ging er zum zweitenmal in das Küferhaus,
um erneut um deren Hand anzuhalten, denn er
wußte, daß sie vor einigen Wochen 25 Jahre alt
geworden war. Der Empfang von Seiten ihrer
Eltern war jedoch wenig ermutigend. Sie erklärten
ihm kurzerhand, daß sie ihre Tochter nicht in
ein Haus heiraten ließen, wo sie schon verachtet
werde, bevor man sie überhaupt kenne. Daraufhin
erklärte ihnen Wilhelm, daß er sich, falls
seine Eltern bei ihrer Haltung blieben, fest entschlossen
habe, das elterliche Haus zu verlassen,
um wie manche seiner Altersgenossen Arbeit
und Brot in der Steingutfabrik zu suchen!

Als nun der Küfer und sein Weib ersahen, daß
Wilhelm vor nichts zurückschreckte, Magdalene
zu besitzen, aber auch, um dem Gerede im Dorf
ein Ende zu machen, erlaubten sie ihm, fortan
sonntags in ihr Haus zu kommen.

Überglücklich berichtete Wilhelm daheim, daß
er beim Küfer Prechter gewesen sei und dessen
Einwilligung zur Heirat mit seiner Tochter erhalten
habe. Über den Hochzeitstermin sei zwar
noch nicht gesprochen worden, aber er dürfe
nun ohne weiteres das Küferhaus betreten und
Magdalene besuchen. Da seine Mitteilung die
Haltung der Eltern nicht erschüttern konnte,
erldärte er ihnen, daß er, nachdem er nun über
dreißig sei und bisher stets Rücksicht auf die
Eltern genommen habe, des dauernden Streites
müde, das Elternhaus verlassen wolle, um seinen
eigenen Weg zu gehen. An seinem Entschluß, die
Magdalene zu heiraten, halte er fest, ob mit oder

74


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_11/0076