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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_12/0067
4) die jüdischen Glaubensgenossen unter dem Schuze
der ihnen von den Oberamtsbehörden ausgestellten
oberamtlichen Patente, oberamtlichen Zeichen hausieren
und Handel treiben und die erforderliche Erlaub-
nißeinholung bei der Polizeibehörde unterlassen, so
findet gegen dieselben die Verordnung vom 13. März
1812 (St. u. Rbl. Nr. 12) ihre Anwendung."10

Von den in Schramberg und in den umliegenden
Gemeinden handelnden Juden fühlten sich vor
allem die Kleinhändler, Krämer und Victualien-
händler des Marktfleckens geschädigt. Die jüdischen
Hausierer stellten für die einheimischen
Handelsleute nämlich eine harte Konkurrenz
dar. Seitdem Schramberg in eine Randlage zum
Großherzogtum Baden gekommen und durch
die vielen Truppendurchzüge, Mißernten und
hohen Ablösungslasten herrschaftlicher Grundrechte
zu einem der ärmsten Orte im Land geworden
war, hatten auch die Kaufleute große
Umsatzeinbrüche zu verkraften. Die Krise, in
welche die vom Handel lebenden Bürger geraten
waren, begünstigte die langsam aufkommende
Judenfeindschaft. Sie sollte den eigenen Abstieg
vermeiden und den Aufstieg der bis dahin
zu den ärmsten Bevölkerungsschichten zählenden
Juden verhindern. Zum Sprecher dieser in
ihrer Existenz bedrohten Kaufleute machte sich
Ferdinand Wolber (1776-1837). Er beschwerte
sich im Januar 1821 bei der Gemeindeverwaltung
und machte darauf aufmerksam, daß

„heute zwey junge Hebräer mit Tücher und allerhand
Waaren haußierten, die nicht vergnügt sind, alle Dörfer
und Bauernhöfe in dem Bezirk zu durchstreifen und
dem ansäßigen teuerbahren Handelsmann zu schaden,
sondern unter dem Vorwand des Markts den verbotenen
Haußierhandel auch hier im Ort zu treiben sich
erlauben.. .."n

Von der Gemeinde verlangte Kaufmann Wolber
ein entschiedeneres Vorgehen. Er gab den Handelsjuden
außerdem zu verstehen, daß „sie sich
müssen gefallen lassen, wenn hiesige Handelsleute
ihnen ihre Waaren wegnehmen."12 Das
Oberamt blieb allerdings bei den bestehenden
Verordnungen. Ferdinand Wolber verfasste daher
im Juni 1823 einen neuen Beschwerdebrief,
„weil ein solcher Unfug wie hier, in keinem Orte,
nicht im gemeinsten Dorfe im Land geduldet
wird, wovon ich im Detail manches anführen
könnte." Der Zusammenhang zwischen seinen
Geschäftsproblemen im Stoffhandel und seiner
judenfeindlichen Einstellung war klar ersichtlich
. Dem Oberamt teilte er weiter mit:

„Indessen verspürt man keine Wirkung dieser oberamtlichen
Verfugung, im Gegentheil, treiben besonders die
Hebräer Süßele und Eppstein ihr Haußierwesen fort,

durchstreifen beinahe alle Häußer und der ansässigen
Bürger und Handelsmann, der nicht haußieren kann,
muß zusehen, wie die Fremden das Gewerb treiben,
welches der Bürger versteuern und darauf Consumbe-
schwerden leiden muß. Ich bitte daher gehorsamst der
oberamtlichen Verfügung den gehörigen Nachdruck
verschaffen zu lassen. Eppstein ist seit 8 Tagen hier und
so ist es das ganze Jahr durch, besonders an Marktzeiten
wird 8 Tage vor und nach dem Markt haußiert, wie kann
auch der hiesige Handelsmann unter solchen Bedingungen
existieren."13

Die Schramberger Beamten wollten die gegen
Isaac Eppstein vorgebrachten Anschuldigungen
überprüfen und forderten ihn zu einer Anhörung
auf, bei der der Stofmändler erklärte:

„Hierauf wurde der Hebräer Eppstein vorgerufen, welcher
sich dahin verantwortet, daß er mit Betten, silbernen
Löffel, Goldwaaren, Bettfedern hausiere, womit
kein Handelsmann beschädigt werde, wenn er Tuch
nöthig habe, so nehme ers von hiesigen Tuchmachern,
er könne daher die Klage des Kaufmanns Wolber nicht
begreifen (Abb. 2).14

Ferdinand Wolber hielt in seiner Stellungnahme
zu diesen Angaben nicht mit abfälligen Äußerungen
über Eppstein zurück. Er unterstellte ihm,
schon ganze Ballen Flanell und Tuch mit seinem
Wagen „fortgeschleppt" zu haben und drohte am
Ende seines Schreibens:

„Von diesem Hebräer lasse ich mein Gewerb und Gewerbstamm
nicht unterdrücken, ich habe sonst noch
nie geklagt, es sind schon über 30 Jahre Juden hieher
gewandert, welchen aus dem Grunde nicht eingewendet
wurde, weil sie etwa 2-3 mahl jährlich hieher
gekommen, dieses aber jetzt beständig da und hält
Niederlagen zu Lauterbach [und] Sulgen und verpfuscht
die ganze Umgegend. Wenn dieser Jud mehr Recht hat
als ein Bürger, so muß ich weiter klagen; denn das
Haußieren ist überall verboten, es sind ja genug Märkte
dahier, somit ist der Bürger keineswegs gebunden."15

Die Gleichstellung der Juden in Württemberg
konnten solche Proteste nicht mehr aufhalten.
Mit dem 1828 verabschiedeten „Gesetz im Betreff
der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen
Glaubensgenossen" wurde festgelegt, daß
die Juden „allen bürgerlichen Gesetzen unterworfen
und alle Pflichten und Leistungen der
übrigen Untertanen zu erfüllen hatten."16 Die
judenfeindliche Einstellung der Bevölkerung
konnte das Gesetz allerdings nicht verändern.

Jüdische Viehhändler auf den Dörfern
und Viehmärkten

Jahrmärkte waren in Schramberg immer ein aus
dem Alltag herausragendes Ereignis, zu dem die
Menschen aus der näheren und weiteren Umgebung
in den Marktflecken strömten. Das Markt-

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