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Paul Rapp:
ORTS-, STRASSEN- UND FLURNAMEN IN SULGEN -
BESCHREIBUNG UND DEUTUNG (Fortsetzung)
Lichtenau
So hieß der Ort von einer Burg dieses Namens.
Ein Überbleibsel derselben ist der sogenannte
Burgstall, heute nur noch ein Erdwall mit deutlich
erkennbarem Graben.
Die Au (mhd. ouwe, schwäb. Au, aub) und der
Brühl sind Bezeichnungen für wasserreiche Wiesen
mit rechtlicher und wirtschaftlicher Sonderstellung
. Oft umgelautet und verkleinert heißen
sie auch Aule, Aile oder Aible, das sind mähbare
Wiesen im Gegensatz zur reinen Weide. Seiner
Herkunft nach bedeutet „Au" zunächst Land im
Wasser, also Insel oder Halbinsel (vgl. Mainau,
Reichenau, Mettnau) dann Land am Wasser, neuerdings
weite, wasser- und ertragreiche Wiesen-
fläche.
In einer alten Ortsbeschreibung heißt es: „Die Au
war das vom Fuße des Sulgerberges bis zur
Lichtenau reichende Land; die Ouwe, durch Bäche
abgegrenztes Land." Der Familienname von
Au ist in unserer Gegend noch häufig zu finden.
Licht, li(e)cht, (schwäb. ia) bedeutet hell, baumfrei
. Engstehender Wald muß bekanntlich durch
Rodving oder Durchforstung „gelichtet" werden.
Die obengenannte Burg stand im Winkel zwischen
Eschach und Seltenbach, der in der Nähe
in die Eschach mündet. Walther Keinath sieht in
den Burgställen sogar Befestigungen, die die Kelten
den Franken und Alemannen hinterlassen
haben (z. B. der Burgstall bei Finsterlohr).
Er stellt dazu fest: „Befestigte Anlagen aus alten
Zeitabschnitten der Vergangenheit bis auf die
keltischen Zufluchtsburgen zurück heißen Burgstall
, seltener Burgstell, Burgstatt und Burgsäß.
Das häufig gebrauchte Wort Burgstall wird volkstümlich
abgeschliffen zu Burschtel, Burschel
und bezieht sich auf die Stelle einer Burg im
allgemeinen, auf abgegangene oder in Ruinen
daliegende Burgen im eingeschränkten Sinne
späterer Zeit."
Burg kann die Wehranlage allein bezeichnen
oder angrenzende Siedlungen, Dörfer oder Städte
einschließen, sich auch auf Bauerngehöfte
beziehen, weil die Ritterschaft aus der Dorf- oder
Grundherrschaft entstand. An anderer Stelle
wird eine Kirche von Lichtenau erwähnt, die
eine Filiale von Dunningen war. Es heißt weiter:
„Dort hatte eine Familie der Grundherren-Sippe
einen Herrenhof und wohnte am Bürstel (Burgstall
)." Pfarrer Zeyer (Mariazell) bezeichnet diesen
als Wasserburg. Dort entstand ein ldeiner
Weiler. Der Großteil der Filialgemeinde wohnte
in Aichhalden, auf der Reute und in Laubenlinden
. Als die Herrschaft ihre Burg aufgab und sich
im Bernecktal niederließ, verlor die Filiale ihre
Bedeutung. Sie bestand noch um das Jahr 1353.
Der „Liber marcarum" nennt Lichtenau. Hier
wird Aichhalden als Filiale von Lichtenau aufgeführt
und Waldmössingen erwähnt. Im Kapitelskodex
von Rottweil erscheint dagegen Lichtenau
nicht. Im Verlauf des Städtekrieges, spätestens
im Jahre 1444, muß es zerstört worden
sein.
Die Burschtel ziehen sich längs des östlichen
Schwarzwaldes wie eine Kette gleichartiger, wie
nach einer Vorlage hergestellter, künstlicher
runder Hügel hin. So sind Liebenzell, Stammheim
, Altburg, Wart, Hallwangen, Fünfbronn,
Erzgrube, Pfalzgrafenweiler, Unterillingen, Loß-
burg - es fehlt lediglich ein Glied beim alten
Schwarzwaldpaß, dem Brandstaig-Schänzle, -
ferner Heiligenbronn, wohl auch der Sulgerberg,
dann Waldau bei Königsfeld Orte mit Burstein.
Nach H. J. Birzer („Auf dem Schwarzwald", 1912/
2) waren die Bürstel Schanzanlagen mit Holzburgen
, und beim Burgstall in der Lichtenau vermutet
man eine Wasserburg im Winkel zwischen
Eschach und Seltenbach.
Seltenbach
Dies ist die Bezeichnung für einen selten, also
nur periodisch fließenden Bach, weil entweder
die wassersprudelnde Quelle fehlt oder das
schwach fließende Naß unterwegs versickert.
Das Gegenteil ist der Reichenbach, der seinen
Namen aber auch vom Fischreichtum haben
kann oder ein Bach mit reichem Ufergelände ist.
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