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Villingen geerbt habe, habe er gut angelegt und
bis jetzt einschließlich dem Zins unangetastet
gelassen.

In der Tat hatte der Vater das Geld vor 20 Jahren
auf recht seltsame Weise geerbt. Seine Eltern
waren, kaum daß er aus der Lehre entlassen war,
an einer Seuche gestorben. Auf Anraten seines
Meisters ging er, um die Kellerarbeit gründlich
zu erlernen, zunächst ins Markgräfler Land und
später an den Kaiserstuhl. Doch da die Zeiten
sehr unsicher waren, zog er in den Schwarzwald,
der zum großen Teil furstenbergisch war und wo
es weniger Raubgesindel gab. So kam Franz
Prechter schließlich nach Schramberg, wo er
Arbeit und eine neue Heimat fand.

Von seinem Heimatort Erdmannsweiler hatte er
nichts mehr erfahren, seit er in die Fremde gezogen
war. Da er ihm nun wieder näher war, zog es
ihn an Allerseelen mächtig dorthin. Er unterließ
es fortan nicht mehr, an diesem Tag die Gräber
der Eltern, Großeltern und sonstigen Verwandten
zu besuchen. Als er nun wieder einmal am
Grab seiner Eltern stand, trat eine alte Frau hinzu
und bat ihn um seinen Namen. Nachdem er ihn
genannt hatte, sagte sie ihm, daß sie die Schwester
seiner verstorbenen Mutter sei, die in Villingen
einen Bäcker geheiratet habe. Ihr Mann sei
vor einem Jahr gestorben, sie bewohne aber
noch dasselbe Haus, in das sie geheiratet habe. Es
sei ihr Eigentum. Dann sagte sie mit Nachdruck,
daß sie von allen Verwandten ihrer Eltern noch
keinen an deren Grab getroffen habe, obwrohl
alle in der Nähe wohnten. Ihn dagegen habe sie
schon mehrere Male hier gesehen, obgleich er,
wie sie nun wisse, einen weiten Weg habe. Zum
Schluß meinte sie, sie wolle ihm das so bald wie
möglich vergelten. Franz versprach ihr, er wolle,
wenn er am nächsten Allerseelentag wieder auf
den Gottesacker komme, sein Weib mitbringen.
Doch es kam ganz anders! Im darauffolgenden
Frühjahr wurde er auf das Nachlaßgericht in
Villingen bestellt, wo ihm mitgeteilt wurde, daß
er durch letztwillige Verfugung seiner Base das
Geld, das diese durch den Verkauf ihres Hauses
kurz vor ihrem Tod erlöst habe, als Erbe bekomme
. Da der Käufer in sehr gutem Rufe stand und
das Geld durch Pfandeintrag gesichert wurde,
ließ Franz es ihm gegen entsprechenden Zins.
Daß er nicht einmal einen Teil davon einforderte
, um die Pfandschuld, die noch auf seinem
Anwesen in Schramberg lastete, abzutragen, hatte
seinen besonderen Grund.

VII.

Nur noch eine Woche fehlte bis zum festgesetzten
Hochzeitstag. Am Kirchweihmarkttag saß
Magdalene mit ihren Leuten frühmorgens beim
Morgenessen, einer geschmälzten Kartoffelsuppe
, als der Zusili-Schuhmacher mit einem dik-
ken, gebogenen Stock in die Stube trat. Die Magdalene
erhob sich, um ihn zu begrüßen. Ihre
Frage, ob er schon zu Morgen gegessen habe,
verneinte er. Daraufhin holte sie einen Teller
und lud ihn ein, sich an den Tisch zu setzen und
tüchtig zu essen, was derselbe sich nicht zweimal
sagen ließ. Nachdem er tüchtig zugegriffen
und die Küferin das Tischgebet gesprochen hatte
, sagte er: „I glaub, Ihr wisset schau, wege was i
zu Euch kumm, s'Benze Wilhelm schickt mi, er
hot gseit, i sott uff d'Hochzig lade, i müeß aber
hüt gli afange, daß i au überall rumkumm!" Die
Magdalene meinte, es sei gut, daß er so früh
gekommen sei, so könne man noch miteinander
schwätzen, ehe die Marktleute kämen, um beim
Vater Kübel und Gelten zu kaufen. Darauf ging
sie in ihre Schlafkammer, um eine Schachtel zu
holen. In der Stube öffnete sie dieselbe und
entnahm ihr ein blaues, rotes und grünes Band
sowie einen großen Strauß Papierrosen mit silbernen
und goldenen Staubfäden. Der Schuhmacher
hatte an dem bunten Zeug seine helle Freude
und meinte: „ So sehe isch mi Huet und Stecke
no von koanre Hochziteri ziert woare!" Die Magdalene
lachte darüber und erwiderte: „Ihr hent
halt au no nie zue mire Hochzig glade! — Aber
jetzt mueß i ebbes Bsunders mit Ui schwätze: Am
Dunstig kummt dr Brautwage in Flecke na, in mi
neu Hoamet. Ihr müeßt bis dort na älli Arme im
Ort zu der Morgesupp in üser Hus glade hau, daß
es ihne it so weh tuet, wenn sie seha, wie i a
schöni Usstüer krieg. Ihr kennet jo die Arme älli
guet, weil sie Uiri Kunde sin. — Do han i Ui no en
Rodeil (Liste) gschriebe, wo Ihr zue dr Hochzig
lade müeßet, gugget emol, i moan, Ihr sottet bi's
Zusematthise im Thierstoa afange und von dort
dr Berg nuffgau, ins Paradies und uff dr Roßwald
!" Die Magdalene zog ein Geldstück aus der
Tasche und gab's dem Schuhmacher: „Do hent
Ihr en kleine Taler Trinkgeld! Ihr müeßet aber
derfür in jedem Hus, wo jungi Lüt sint, dr Spruch

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