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tue, wo alles so Freud dra hott! Sint so guat und
sagget mier jetzt amol vor, wie Ihr zue mire
Hochzig ladet!"
Der Schuhmacher stellte sich kerzengerade hin,
hielt seinen verzierten Stock hoch und fing an:
Ich tret' herein ganz keck und frisch
Und sag': Gelobt sei Jesus Christ!
Ich will Euch jetzt nur zeigen an,
Was die Hochzeitsleut' haben getan:
Sie sind einmal zusammengekommen
Und haben sich recht liebgewonnen
Ich wünsche ihnen Glück und Segen
Und zum Himmel einen kurzen Stegen
Liebe Freund' und Nachbarn:
Ihr müßt mich nicht verachten,
Daß ich so keck hereintritt
Und Euch nicht um Verzeihung bitt'.
Ich komme nicht wegen meiner,
sondern wegen den ehrsamen Hochzeitsleut
':
Dem ehrsamen Hochzeiter Wilhelm Benz,
Sohn des Jakob Benz, und der ehrsamen
Hochzeiterin Magdalene Prechter, Tochter
des Franz Prechter und der Veronika Storz. Sie
lassen Euch freundlich grüßen und einladen
auf den nächsten Montag zu ihrer Hochzeit:
Zur Morgensuppe bei der Hochzeiterin, um 9
Uhr in die Kirche und von dort ins Wirtshaus
„Zum Mohren". Wenn es Gelegenheit gibt,
wollen sie es gerne wettmachen, sei es in
Freud' oder Leid, doch lieber in Freud' als in
Leid.
Darauf fragte er Magdalene, ob es so recht sei. Sie
bejahte, ermahnte ihn aber nochmals, unbedingt
auf die Namen, die im Rodeil stünden, zu achten,
damit er niemand zu laden vergesse. Da meinte
der Hochzeitslader teuherzig: „Uir Rodell war
schau reacht, wenn i lese könnt, aber i gang von
Hus z' Hus ge lade, no wurr i au niemed vergesse
." Und schon war er mit ein paar Sätzen die
Stiege drunten und zum Flaus hinaus. So viel
Geld wie jetzt hatte er schon lange nicht mehr
besessen. Der Schuhmacher war nämlich bitterarm
. Sein wahrer Name war Müller. Da aber seine
Mutter Susanne hieß, wurde er kurzerhand nur
s'Zusilis Schuhmacher und zuletzt nur noch Zu-
sili genannt. An seiner Bedürftigkeit war zum
einen seine Kundschaft schuld. Diese bestand
größtenteils aus den Armen im Ort. Im Sommer
liefen dieselben barfuß herum, und wenn sie für
die übrige Zeit Schuhe brauchten, konnten sie
sie nur groschenweise bezahlen. Zum anderen
hatte der Zusili kein rechtes Sitzleder, weshalb
ihm auch die Gerber nicht recht trauten und ihm
nicht gerne auf Borg Leder gaben.
Das aber tat seiner Fröhlichkeit keinen Abbruch.
Er suchte und fand auch anderweitig Beschäftigung
, als Hochzeitslader, Leichenbitter und Totengräber
. Als er einmal gefragt wurde, warum er
bei einem so ernsten Geschäft singe, antwortete
er, es tue ihm so weh, wenn er einen Bekannten
hinunterschaufeln müsse. Wenn er singe, vergesse
er das eher. Daraus ist zu ersehen, daß er
ein gutes Herz hatte, das wohl auch die Quelle
seiner Fröhlichkeit war.
Am folgenden Donnerstag ging es im Küferhaus
lebhaft zu. Die beiden Fuhrleute, der Fleig und
der Salz-Hils, stellten in aller Frühe je einen
Leiterwagen vor das Haus. Die Schreiner luden
nun alles so auf, wie es in die Zimmer gestellt
worden war. Fein rötlich glänzten die aus Kirschbaumholz
gefertigten und polierten Sachen. Die
Betten waren aufgeschlagen. Weiße, reinleinene
Kissenbezüge und ebensolche Leintücher sowie
kleingewürfelte, aus gebleichtem und türkischrotem
Garn gewobene Bettbezüge lagen darauf.
Sogar die Stroh- und Halmensäcke darin waren
aus gebleichtem Tuch gemacht.
Es war aber auch kein Wunder, wenn alles so
vornehm aussah. Magdalenes Mutter hatte zur
Aussteuer nur Flachs und Fimmelhanf gesponnen
. Das gröbere Garn aus Samenhanf wurde zu
Tisch- und Bettwäsche für die Dienstboten und
zu Küchenschürzen verwendet. Die Kastentür,
worin das Weißzeug untergebracht war, stand
offen. Die Bendel an den Kissen- und Bettbezügen
waren mittels Messerrücken schön gekräuselt
.
Viele Menschen umstanden bewundernd die
Wagen. Sie mochten Magdalene alles wohl gönnen
. Mädchen und Frauen hatten zusammengeholfen
, die Wagen mit Reiskränzen, in die Dahlien
und Astern gesteckt waren, zu zieren. Die
Rösser waren mit Sträußen geschmückt, ebenso
die Peitschenstöcke und Hüte der Fuhrleute. Als
sich die Wagen in Bewegung setzten, ging Magdalene
voraus. Sie trug auf dem Arm ein schönes,
geschnitztes Kruzifix, denn sie wußte wohl, daß
an Gottes Segen alles lag, auch ihre Zukunft.
(wird fortgesetzt)
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