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bach. Dieser war ein sehr großer und daher
etwas steif und ungelenk wirkender Bursche.
Danach kamen die übrigen Hochzeitsgäste,
dem Grad der Verwandtschaft nach. Der gesamte
Zug bot ein prächtiges Bild! Die Frauen
trugen schwerseidene Taftkleider in den verschiedensten
Farben, dazu teure, zum Kleid
passende Atlasschürzen. Um den Hals trugen
sie Nister von echtem Granat, die bis zu
zwölfmal um den Hals geschlungen waren,
darüber Halstücher von Levantiner Seide .
Auf dem Kopf trugen alle verheirateten
Frauen Schnellerkappen, die je nach den
häuslichen Verhältnissen aus seidenem oder
wollenem Chenille-Garn13 angefertigt waren
und deren Boden aus Gold- oder Silberstickerei
bestand. Ihre Schuhe waren aus weichem
Saffianleder, die weit ausgeschnitten waren,
damit man die schönen Lochmuster in den
handgestrickten, weißen Strümpfen aus
selbstgesponnenem Leinengarn gut sehen
konnte.
Die Männer trugen durchweg kurze Manchester
- oder Hirschlederhosen, rote Westen mit
silbernen Knöpfen, einen langen, blauen
Rock und einen Hut aus grobem Filz mit breiter
Krempe. Den Hals zierte ein großer, lei-
nerner Kragen, der am Hemd aus demselben
Stoff befestigt war und von einem schwarzseidenen
Halstuch, das an den Enden zu einem
Knoten verschlungen war, gehalten
wurde.
Unter den Klängen der Musik setzte sich der
Zug nun in Bewegung und zog ganz langsam
zur Kirche, damit ja niemand sagen könne,
falls es in der Ehe nicht gutgehe, die Hochzeiter
seien ins Elend gesprungen.
Die Armen waren schon alle in der Kirche anwesend
, als der Zug dort eintraf. Sie sollten
nach der Anweisung der Küferin erst nach
der Trauung zur Morgensuppe erscheinen,
damit diese dann das Mittagessen ersetzen
würde. Außerdem würden sie vor dem Essen
eher beten als danach.
Nach der Trauung setzte sich der Hochzeitszug
wieder in Bewegung, jedoch mit dem
Unterschied, daß nun das Brautpaar voranschritt
und Gespiel und Ehrengesell an zweiter
Stelle kamen. Die Musikanten stimmten
einen Marsch nach diesem Text an:
Mußt mit, mußt mit, magst wollen oder nit,
Ist noch so ängstlich auch Dein Schritt,
Du mußt doch mit,Du mußt doch mit!
Mußt mit, mußt mit, magst wollen oder nit.
Abb. 1: Der 1834 erbaute Gasthof zum Mohren mit Bierbrauerei (um 1900). Sein heutiges Aussehen erhielt
das Gebäude durch den Ausbau des Dachgeschosses im Jahre 1908 (Archiv Carsten Kohlmann)
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