http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_16/0027
räum, nicht selten Jahrzehnte nach ihrer Herstellung
, in Gebrauch gewesen sein. Gewisse
Merkmale der Ziffern könnten in die zweite
Hälfte des 16. Jahrhunderts verweisen, ohne
daß man diesen Zeitansatz absichern könnte.
Die charakteristischsten Formen liefern noch
die deutschsprachigen Himmelsrichtungsangaben
in Frakturschrift, die erst ab 1515, häufiger
aber erst ab 1540, epigraphisch verwendet
wurden. Nicht zu entscheiden war, ob
auch hier Punzen verwendet wurden. Die
Buchstaben scheinen eher einzeln eingraviert
zu sein, leider in ziemlich unbeholfener Ausführung
. Auch hier geht die Tendenz der zeitlichen
Einordnung am ehesten auf die zweite
Hälfte des 16. Jahrhunderts, allerdings ohne
konrete Kriterien nennen zu können. Die römischen
Zahlzeichen auf der Sonnenuhr-Seite
sind noch in gotischer Minuskel ausgeführt.
Diese Schriftart wird ab der Mitte des 16. Jahrhunderts
im epigraphischen Bereich zunehmend
von Fraktur und Kapitalis verdrängt,
kann aber doch vereinzelt, in manchen Regionen
sogar in großer Zahl noch bis ins frühe 17.
Jahrhundert hinein, Verwendung finden.
Trotzdem wird - alles zusammengenommen -
eine Datierung in die zweite Hälfte des 16.
Jahrhunderts favorisiert, ohne eine Entstehung
des Fundstückes zu Beginn des 17. Jahrhunderts
grundsätzlich ausschließen zu können
.
Eine ganz ähnliche Klappsonnenuhr
In vielen Museen und Sammlungen gibt es
zum Teil wundervolle Beispiele von Reise-
Klappsonnenuhren, z.B. auch in der Kunstgewerbesammlung
der Stadt Bielefeld (Stiftung
Huelsmann). Im Katalog dieser Sammlung
sind über 30 solcher Sonnenuhren abgebildet
und beschrieben. Auffallend ist eine
Klappsonnenuhr, deren Deckplatteninnenseite
ebenfalls eine Vertikalsonnenuhr darstellt
. Diese enthält im Bereich unseres Fundstückes
fast exakt die gleichen graphischen
Elemente: zwei exzentrische Doppelkreise,
wobei der kleinere innere den größeren oben
tangiert. Das Zentrum des kleineren Doppelkreises
ist gleichzeitig der Befestigungspunkt
für den Polfaden, am linken und rechten Rand
verlaufende Doppellinien sind die Begrenzung
des Feldes, bis zu der die Stundenlinien durchgezogen
sind. Die Halbstundenlinien verlaufen
von außen nach innen bis etwa zur Hälfte,
an den Enden derselben sind kleine Kreise ein-
gepunzt. Schließlich sind die Viertelstunden
mit einzelnen Punkten markiert. Auch ein
Loch auf der 12-Uhr-Linie unterhalb der Doppelkreise
ist an dieser Sonnenuhr vorhanden.
Die wohl mit Punzen eingeschlagenen römischen
Zahlen weisen die gleiche Charakteristik
auf.
Die Klappsonnenuhr der Kunstgewerbesammlung
der Stadt Bielefeld mit der Inventar-
Nummer H-W 5 hat folgende Maße: Länge der
Platten 81 und 83 mm, Breite 53 mm. Die Breite
entspricht also genau der unseres Fundstückes
. Hergestellt wurde die mit dem Jahr
1643 datierte und signierte Uhr von Jacob Karner
in Nürnberg. Städte wie Augsburg und
Nürnberg waren Zentralen für die Herstellung
solcher Taschensonnenuhren, von wo aus diese
weiträumig exportiert wurden. Den Namen
Karner führten fünf Generationen von Meistern
, beginnend mit dem letzten Drittel des
16. Jahrhunderts. Gegen 1600 trennen sich
zwei Hauptlinien, die letzten Werke der Karner
entstanden Mitte des 18. Jahrhunderts. Leider
ist auf dem gefundenen Fragment keinerlei
Signatur vorhanden. Meisterzeichen und
Herstellungsjahr wurden ja meist auf den
Grundplatten der Klapp Sonnenuhren angebracht
.
Auch ohne das Herstellungsjahr, den Meister
und schließlich den einstigen Benutzer der
Sonnenuhr zu kennen, ist der Fund von der
Burgruine Hohenschramberg von erheblicher
Bedeutung. Zeitmessung - so könnte man sagen
- war offenbar schon jahrhundertelang in
der Schramberger Region üblich.
Anmerkungen
1 Sicherlich hat es bei unserem Fund auf der Grundplatte einen
Kompaß gegeben, um die Reisesonnenuhr in die Nord-Süd-
Richtung orientieren zu können. Diese Kompasse berücksichtigten
auch die Mißweisung, d. h. den Winkelunterschied zwischen
geographisch und magnetisch Nord. Die Mißweisung
(Deklination) wurde bald nach der Einführung des Kompasses
in der Schiffahrt entdeckt. Sie betrug in der Entstehungszeit
des Fundstückes in Deutschland rund 10 Grad nach Osten. Die
Nichtbeachtung dieser Abweichung hätte beim Gebrauch tragbarer
Sonnenuhren eine Zeitabweichung von gut einer halben
Stunde ergeben. Die magnetische Nordrichtung wird schon
seit der Mitte des 16. Jahrhunderts in erdmagnetischen Observatorien
beobachtet
25
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_16/0027