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Robert Ditter:
„NACH DEM NEWENN CALLENNDER"
Es gibt einen hübschen Limerick', der erklärt, was Relativität bedeutet: Danach reiste eine
junge Dame eines Tages „in the relative way" ab und kam am vorausgegangenen Abend an.
Weniger skurril, aber genauso unvorstellbar wäre es, wenn man der Post einen Brief übergäbe
, der bereits vor dem Absendetermin zugestellt würde. Wir sind vielmehr schon froh, wenn
die Zustellung anderntags erfolgt.
Ebenso undenkbar wäre es für uns heute, wo für Uhren geworben wird, die „präzise auf
lsec. in 1 Million fahren" gehen2, daß es eine Zeitdifferenz zu Nachbarorten nicht nur von
Minuten oder Stunden, sondern von Tagen gäbe. Was uns unmöglich erscheint, war einstmals
durchaus möglich, und zwar vom Ende des 16. fahrhunderts bis zum fahr 1700. Warum das
über mehr als hundert fahre so war, darüber soll der folgende Beitrag Aufschluß geben.
Der geschichtliche Hintergrund
Wie wir aus früheren Abhandlungen wissen,
war es Rochus Merz leider nicht vergönnt, die
Herrschaft Schramberg so zu festigen, daß sie
eine gesicherte Zukunft gehabt hätte. Zum einen
war sie hochverschuldet und hatte trotz
seiner lebenslangen Bemühungen weder feste
Grenzen noch ein geschlossenes Herrschaftsgebiet
. Zum anderen waren seine Nachfolger,
zunächst seine Witwe, dann deren Neffe, nicht
in der Lage, sein Werk in seinem Sinne fortzuführen
. Rochus Merz muß dies geahnt haben,
denn in seinem Testament3, das er wenige Tage
vor seinem Tode, im Januar 1563, abfaßte,
äußerte er die Befürchtung, daß die Herrschaft
„obwohl es nicht vorkommen sollte, dennoch
leicht zerstreut werden könnte". Um dem vorzubeugen
, solle sie der Schwäbischen Ritterschaft
zum Kauf angeboten werden. Entgegen
dem letzten Willen seines Onkels verkaufte
Gottfried Zott notgedrungen die Herrschaft
1583 an Österreich, das sie noch im selben
Jahr an Graf Wilhelm von Zimmern als Mannlehen
weitergab. Dieser war ein Sohn Froben
Christophs, des Verfassers der berühmten Zimmerischen
Chronik. Als Graf Wilhelm 1594 als
letzter männlicher Sproß derer von Zimmern
in Padua starb, fiel die Herrschaft Schramberg
endgültig an das Haus Österreich. Lediglich elf
Jahre gehörte sie also den Herren von Zimmern
, einem Rittergeschlecht, das seine
Stammburg bei Herrenzimmern hatte und dessen
Besitz bis Seedorf reichte.
Graf Wilhelm — Herr über Schramberg
Als Wilhelm „Grave und Herr zu Zimbern", wie
er sich selbst nannte, die Herrschaft Schramberg
erwarb, übernahm er auch deren ungelöste
Probleme: Es waren zum einen die immer
noch nicht gesetzten Marksteine an der Nordgrenze
zum Herzogtum Württemberg, zum anderen
württembergische Besitzungen inmitten
dieses Territoriums, wie etwa Sulgau, einen
Teil Tennenbronns und zahlreiche Höfe. Das
war genug Konfliktstoff, der noch durch die
konfessionellen Gegensätze verschärft wurde:
Die Herrschaft Schramberg war, nicht zuletzt
dank dem energischen Vorgehen von Rochus
Merz, katholisch geblieben, während Herzog
Ulrich schon 1534 im Herzogtum Württemberg
die Reformation eingeführt hatte. So
nimmt es denn kein Wunder, wenn die
„Schrambergischen Irrungen", wie die Streitigkeiten
von den herzoglichen Räten genannt
wurden, zuweilen zu einem Glaubensstreit
eskalierten. Im großen und ganzen blieb es
aber bei einem freundlich-bestimmt geführten
Schriftwechsel zwischen Graf Wilhelm von
Zimmern und Herzog Ludwig vonWürttem-
berg, der allerdings ergebnislos blieb.
Merkwürdige Datierungen
Bei diesem „Notenwechsel", wie man das heute
in der diplomatischen Fachsprache nennt,
tauchen seltsame Datierungen auf. So schickt
etwa Graf Wilhelm von Meßkirch aus, wohin
die Herren von Zimmern nach dem Erwerb der
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