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Abb. 2: Bernecktal mit der 1878 vollendeten Straße
immer ein wenig staunend wirkenden Augen
in sich aufnahm, begleitet vom wilden Rauschen
des Flusses? Es war ja Herbst, von Laubbäumen
fielen bunte Blätter, vielleicht brauste
auch ein heftiger Wind oder ein Sturm. Sicherlich
wird der Künstler das „Falkensteiner
Kirchlein" betreten haben und ergriffen gewesen
sein von den Kunstwerken, wie sie der
Chronist schildert: „Der Hochaltar enthält
einen mit Laubwerk verzierten Schrain, die
Grablegung Christi darstellend, aus der Zeit
von 1475-80, ein Werk von ergreifender
Schönheit; die Gestalten sind stark aber wahr
bewegt in trefflicher Holzschnitzerei; die Gesichter
von tiefem Schmerzensausdruck. An
der linken Chorwand hängen zwei gutgemalte,
spätgothische Bildchen, Maria und Elisabeth
und der englische Gruß."6 Regte sich hier und
in der romantischen Umgebung bei Thoma
nicht der Wunsch, zu verweilen und zu malen?
Wir wissen es nicht. Hans Thoma schweigt in
seinem Lebensbericht7 darüber, und auch keines
andern Feder gibt davon Kunde. Mit seinen
Freunden kehrte er nach Schiltach zurück, besuchte
von dort aus noch Hornberg, Triberg
und nochmals Kirnbach,bereits am 21. Oktober
finden wir ihn wieder in Karlsruhe.
Von Karlsruhe aus wollte Hans Thoma nach
Düsseldorf ziehen, aber Professor Gude überredete
ihn, er solle doch in Karlsruhe bleiben,
derselbe Gude übrigens, der ihm dann eines
Foto um 1900
Tages mitteilte, daß der Kunstverein ihm,
Thoma, das Ausstellen von Bildern hier für alle
Zeit verboten habe.
Der Künstler befand sich in drückender Geldnot
. Wenige Freunde halfen, einige Bildverkäufe
sicherten ihm das Existenzminimum.
Das darauffolgende Jahr, 1869, bezeichnete
Hans Thoma als ein für ihn recht trübseliges,
doch Beharrlichkeit war seine Stärke. Im
Herbst des Jahres 1870 öffneten sich ihm die
Tore der Musenstadt München zum ersten Mal.
Noch viele, viele Jahre sollten vergehen - Detlev
v. Liliencron nannte es „die altbekannte
deutsche Zeit" -, bis nach Mühsal, Not und inneren
Höhepunkten der Künstler den wohlverdienten
Durchbruch erlebte. Hans Thoma
erhielt spät Anerkennung und den ihm gebührenden
Platz in der Kunstwelt. Sein Schaffen
aber gibt Zeugnis von alten, verträumten
Zeiten, welche nie, nie wiederkehren.
Anmerkungen
1 Otto Scholderer (1834-1902), Vertreter des Frühimpressionismus
, lebte zeitweise in Paris und London
2 Gustave Courbet (1819-1877), einer der bedeutendsten französischen
Maler des 19. Jahrhunderts, revolutionierte mit seinem
realistischen Stil die Malerei
3 Emil Lugo (1840-1902), ein von Hans Thoma beeinflußter
Landschaftsmaler
4 German Waller: Chronik der Stadt und ehemaligen Herrschaft
Schramberg, Wolfach 1872, S. 78
5 Waller, a.a.O., S. 79
6 Waller, a.a.O., S. 22
7 Hans Thoma: Im Winter des Lebens, Jena 1919
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