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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_16/0051
Carl Faist:

„ERINNERUNGEN" (Fortsetzung)

Im letzten Heft wurde mit dem Abdruck der „Erinnerungen " von Carl Faist begonnen. Darin
schildert der Autor seine Herkunft und seine Kindheit, die er um die Mitte des 19. Jahrhun-
derts in Schramberg verbrachte. In der Schilderung der persönlichen Umstände spiegeln sich
auch die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse im damaligen Marktflecken. Man könnte
sie fast beschaulich nennen, wenn nicht einem Wetterleuchten gleich am Ende die Kunde
von der Februarrevolution 1848 in Frankreich über den Rhein und das Kinzigtal herauf ein
nahendes Gewitter angekündigt hätte.

Im folgenden wird von den revolutionären Ereignissen im Herbst 1848 in Südwestdeutschland
die Rede sein, und zwar wiederum aus dem Blickwinkel Schrambergs, das, wie derleser
feststellen wird, eine nicht unbedeutende Rolle bei dieser Volkserhebung gespielt hat. Da Carl
Faist seine „Erinnerungen " erst lange nach ihrem Scheitern niedergeschrieben hat, ist der ironische
Unterton verständlich.

Aber auch nach dem „Franzosen-Krawall" gärte
und brodelte es überall weiter. Der „Schwarzwälder
Bote"1 brachte jede Woche Nachrichten
, daß es da und dort zu Aufruhr gekommen
sei und „etwas" kommen müsse. Es lag gleichsam
in der Luft. In Schramberg hörte man nur
noch von Freiheit und Erlösung vom Staatsjoch
reden, welches man mit Mut und Entschlossenheit
abschütteln könne. Es wurden Reden
gehalten, das Bürgermilitär wurde zum strengen
Exerzieren angehalten, und Schützen- und
Sensenkompanien wurden gebildet. Ein alter
Korporal namens Wolf war Instrukteur der letzteren
. Das Einexerzieren wurde meist auf dem
Reitplatz im gräflichen Schloßgarten vorgenommen
.

Damals bestand hier ein Liebhabertheater. Direktor
war ein Musiklehrer und Schauspieler
namens Bob2, welcher durch seine feurigen Ansprachen
viel zum Aufruhr beitrug. Später aber,
als die Sache schief zu laufen drohte, ging er
durch und starb später in Mannheim.
Gearbeitet wurde nur noch wenig. Sensenschmied
war der Nüßle, Kugelgießer waren
der Schlosser Munzle, der Lindenschlosser und
noch einige andere. Bürger, welche von der Bewegung
nichts wissen wollten, waren „Aristokraten
" und mußten manche Katzenmusik3 anhören
. Selbst der damalige Ortspfarrer Sauter
wurde von nächtlichen Serenaden nicht verschont
. Er hatte viel durchzumachen, denn es

hieß: „ Die Aristokraten werden gebraten, und
die Fürsten und Pfaffen werden gehenkt".
Die roten Federn auf Hut und Kappe waren zur
Mode geworden. Mancher rote Federbusch
vom Bürgermilitär mußte herhalten, um die
Kopfbedeckung zu schmücken, wenn der Kopf
auch noch so dumm war. Selbst Schultheiß Bollinger5
trug eine solche auf seiner Kappe. Die
Männer der goldenen Freiheit, welche eine Rolle
spielten, waren Reallehrer Lang, Schultheiß
Bollinger, Isaak Kunz, Schützenwirt und Bierbrauer
Jegglin, Seifensieder Hils und der Gerber
Hannesie6. Stafettenreiter war der Küfer Schmie7
, welcher am allerwenigsten daran dachte,
daß er seine Reitkunst mit 96 Tagen auf dem Asperg8
büßen müsse. Alle waren durchdrungen
vom Verlangen nach Freiheit und von der Begeisterung
für sie. Der am besten verständliche
Redner war unstreitig unser Hannesie, wenn er
vom Rathausfenster eine Rede hielt. Der Haushalt
des Königs kostete ihm viel zu viel Geld. Er
fragte neben anderem, wozu der König so viele
Pferde in seinem Marstalle brauche. Man solle
sie doch hohlen9 und bedürftigen Ackersleuten
zum Arbeiten geben. Einen solchen Luxus
brauche man nicht. Seine Frau - ich kann sie
heute noch sehen - sekundierte von 's Konditors
Gäßle etwa so: „Gang rüber, wer mag dei
dumm's G'schwätz höre, du Kaib10, du!"
In den Nachbarorten auf der Hochebene war
die Unzufriedenheit geradeso, in den Oberäm-

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