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den Badenern zu Hilfe. Schonungslos wurden
die Aufständischen und Soldaten niedergeschossen
und eingekerkert, um in den Kasematten37
elendig zu Grunde zu gehen.
Ich war vor etwa acht Jahren in Rastatt. Es interessierte
mich, von der damaligen bedenklichen
Zeit etwas zu erfahren. Ich ging deshalb
früh am Morgen auf den Kirchhof, und alsbald
stand ich vor dem Denkmal der standrechtlich
Erschossenen. Es waren zwölf Namen, in goldenen
Buchstaben eingegraben, alle vom Militär
, Offiziere und Gemeine.
Ich befand mich ganz alleine auf diesem Totenfeld
. Indes kam ein altes Männlein daher, mit
dem ich sofort ein Gespräch anknüpfte. Ich
fragte ihn unter anderem, ob dies wohl alle gewesen
seien, welche damals erschossen wurden
. „Oh ja", meinte er ironisch, „da draußen
vor der Festung liegen die meisten". Er erzählte
mir dann weiter, jeweils frühmorgens seien
die Todeskandidaten mit einer Abteilung Soldaten
zum „Schanzen"38 ausgerückt. Sie kamen
aber nicht mehr zurück, sondern wurden alle in
die Grube niedergeknallt, welche sie selbst gegraben
hatten. Mit Wehmut verließ ich die Stätte
, wo einst so viele Ahnungslose ihren schrecklichen
Tod gefunden hatten, um die trüben Gedanken
in der Stadt vergessen zu machen.
„Hecker, Struve, Robert Blum39, kommt und
bringt die Preußen um!", hörte man überall in
Baden. -
Über den Winter 1848/49 hatten wir hier beständig
Einquartierung. Eine Kompanie ging,
eine andere kam, und so ging es fort bis in den
Sommer. Auch marschierten hier laufend Truppen
durch, Preußen, Hessen, Mecklenburger,
welche zum Teil übernachteten und alles auffraßen
. Am schlimmsten aber erging es dem
starken Mühle-Stasi40. Er hatte ein großes Maul
und meinte, mit den paar blinden Hessen würde
er leicht fertig werden. Es kam aber anders.
Als die Soldaten am anderen Morgen gen Villingen
abzogen, sah man mitten unter ihnen unseren
Stasi. Seine Knie schlotterten, er flehte
um Schonung, es half aber nichts, und in Todesangst
mußte er mit bis aufs Hardt. Dort,
glaubte er, habe sein letztes Stündlein geschlagen
. Doch der Oberst hatte mit ihm Erbarmen
und gab ihm seine Freiheit wieder. Von den Soldaten
aber wurde der Stasi mit Hohngelächter
überschüttet und den Kirnbach hinuntergejagt.
Am Nachmittag gegen 3 Uhr kam der Stasi den
Spittel herunter, und zwar ziemlich kleinlaut.
Von den blinden Hessen wollte er nichts mehr
wissen.
Vom Hohenasperg gelangten allmählich Briefe
in die Heimat, die den Angehörigen die nahe Erlösung
vom Kerker anzeigten. Welche Freude!
Einer eilte zum andern, die frohe Botschaft verkündend
. Mit banger Sehnsucht erwartete jede
Familie die Stunde der Rückkehr ihres Vaters.
Der eine kam früher, der andere später. Eisenbahnen
gab es noch nicht. Die meisten mußten
den weiten Weg zu Fuß zurücklegen. Entbehrung
, Kummer und Not waren der Stempel,
welcher ihnen auf die Stirne gedrückt war.
Lauter Männer mit langen Vollbärten wie Apostelfiguren
!
Die Freude war so lebhaft, daß groß und klein
mit den Heimkehrenden tanzen wollte. Diese
trafen aber traurige Zustände an. Sowohl in der
Familie als auch bei der Allgemeinheit waren
Gant41 und Zwangsverkäufe an der Tagesordnung
. Die geschäftliche Flaute griff immer weiter
um sich. Bargeld war zur Seltenheit geworden
. Wer 1000 fl an Vermögen hatte, wurde als
reicher Mann angesehen, und nicht selten kam
ein solcher auch in den Gemeinderat, wenn
auch seine Befähigung viel zu wünschen übrig
ließ. Haus und Feld konnte man aus den Konkursen
spottbillig kaufen, aber niemand hatte
Mut und Geld.
Anmerkungen
1 „Schwarzwälder Bote": erstmals erschienen am 3. Januar
1835, und zwar von Anfang an als Tageszeitung
2 Friedrich Popp aus Schweinfurt, Sprachlehrer und Direktor eines
1843 gegründeten Laientheaters, außerdem zeitweilig
Vorstand des „Liederkranz". In der Anklageschrift von 1850
wird er als „seither gestorben" aufgeführt, (vgl. „D'Kräz", Heft
12, S. 58ff.)
3 mit allerlei Lärminstrumenten erzeugte „Musik", (vgl. „Katzenmusik
" am Fasnetsmontag vormittag um 10 Uhr auf dem
Rathausplatz als traditioneller Teil der Schramberger Fasnet)
4 Pfarrer Johann Michael Sauter war von 1845-1857 Ortsgeistlicher
in Schramberg
5 Fidel Bollinger: Von 1836-1848 Schultheiß in Schramberg
(vgl. „D'Kräz", Heft 1, S. 22ff), einer der Hauptangeklagten
im späteren Hochverratsprozess
6 Neben Schultheiß Bollinger waren Reallehrer Markus Lang aus
Waldsee und Schützenwirt Anton Jegglin die treibenden Kräfte
. Isaak Kunz war Lithograph und im Prozess als Zeuge geladen
. Der Gerber Hannesie war vermutlich Johann Hils, Rotgerber
und Gemeinderat
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