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reihte sich an Impression, Idylle an Idylle.
In dem Sonett „Burgruine im Schwarzwald"
beschrieb sie,wie sie an einem Sommerabend
auf jenem Berg weilte, wo „Die wilde Taube in
den Wäldern girrt", und „Wo zu des Falkensteiners
Rittertagen/Hat Speer und Lanze oft
so hell geklirrt". Doch jetzt steht nur noch ein
Wacholderbaum Wache am Tor des lange zerfallenen
Schlosses. Das Weidenröslein, das sich
im Juni vor dem Spitalwald ausbreitete, pries
sie, wiederum reimlos:
Sei mir gegrüßt, du Weidenröslein am
Berghang!
Schöner und holder blühest du heuer
als jemals,
Weithin leuchtend in blau=roten Flammen
des Sommers,
Lieblich bist du und wonnig, Tochter der
sonnigen Halde,
Köstlich im Füllhorn der Tage blumiger
Wunder und Freude!
Im Gedichtband „Neue Dichtungen", einem
schmalen, in Buntpapier hübsch gebundenen
Büchlein mit nur 31 Seiten, berichtete sie von
den Burgruinen, von der Teufelsküche, vom
Steinernen Mann; sie sieht im „Winterzauber
im Bernecktal" („Sieh doch, siehe im Eiskristall
/ Am Walde den funkelnden Wasserfall") den
Winterkönig hinaufsteigen, um den Sturzgewaltigen
zu fesseln. Die Tannen erzählen es
Zwergen und Faunen. Doch im Frühling, wenn
alle Bächlein aufgetaut sind und wieder
fließen, vernimmt man „des Riesen dröhnendes
Lachen".
So mischt sich Natur und Fantasie. Alles ist von
unsichtbarem Leben ausgefüllt, und die Wirklichkeit
wird zum Gleichnis, zur Metapher.
„Späte Rosen" nennt sie ein Gedicht, und sie
fühlt im Herzen eine vom Abendrot entzündete
Purpurflamme emporsteigen; sie ist erstaunt
und von Wunderbarem erfaßt, „Daß auf
meines Lebens Abendschiffen/Lauter rosenrote
Wimpel weh'n!"
Der Band „Waldmärchen", 1932 im Verlag der
„Schramberger Zeitung" gedruckt und verlegt,
bringt auf 33 Seiten eine ganze Reihe personifizierter
Pflanzen und Tiere. Die blaugrün schillernde
Libelle wird zur Waldnymphe, der
„Waldmeister" erhält von seinem Schöpfer
einen Orden, eine „Erdbeerfee",„Waldelfen",
ein „Moosmägdlein", „Waldritter", „Der Walddoktor
", „Tantchen Hagebuttchen" treten in
den humorvollsten Gedichten auf. Den Rabenvogel
schildert sie als „Waldfant":
Ein nobler Herr im schwarzen Frack
In feinen Schuh'n von schwarzem Lack
Und gravitätisch stolzem Gang
Spazierte jüngst den Wald entlang.
Ein Flieger sonst, der weitgereist,
Der kühn im blauer Äther kreist,
Und wohnt, wenn recht geseh'n ich hab'
Hoch oben in der „Villa Rab".
Mit solch lustigen Strophen zeigte sich Emma
Haaser von ganz anderer Seite und schuf sich
damit eine noch größere Lesergemeinde. Aber
auch bei ihren öffentlichen Vorlesungen überzeugte
sie mit lebhaft begeisterndem Vortrag:
Sie brillierte durch Intelligenz und Liebenswürdigkeit
. Auch hier kamen ihre Themen aus
der Natur, dem Leben im Walde sowie aus dem
Volksleben. Die Strenge ihrer eigenen Lebensführung
und Alltagsbewältigung aber spiegelte
sich in ihrer akkuraten Handschrift: In dem
„Aufabauf" der Mittelzone blieb sie ganz der
Schulvorlage verpflichtet, während die voll
durchgezogenen Unterlängen auf eine feste
innere Verwurzelung deuten. Erst im geistigen
Bereichen den lebhaften Schwüngen der Oberzone
, finden sich Fantasie, Verehrung hoher
Ideale, kommt ihre eigentliche Schöpferkraft
zum Ausdruck. Im März 1913 schrieb sie an
Christian Wagner: „Das heiligste Evangelium
für die Menschheit: Vollkommenes Loslösen
von allem was uns entwürdigt, reiches, freudiges
Hingeben von Liebe und Erbarmen an
alles Lebende". Und an anderer Stelle: „Das
Heiligtum des Waldes soll unberührt bleiben
in seiner feierlichen Ruhe und Schönheit!" Erschüttert
von den Schrecken des Ersten Weltkrieges
schrieb sie am 12. Januar 1917, dem
vorletzten Kriegsjahr, zutiefst betrübt: „Wie
war die Erde so schön, so schön, ehe das
furchtbare Völkermorden sie zur Hölle machte
, zur Hölle der Schrecken und Qualen für
die, welche den Kampf draußen ausfechten
müssen."
Von alten Bekannten wird über Emma Haaser
gesagt, ihr Leben sei bestimmt gewesen von
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