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berg (Abb.l). In der Industrialisierung entstanden
in Lauterbach einige Fabriken. In
der Goldleisten- und Uhrenkastenfabrik Lukas
Haberstroh wurden in Konjunkturzeiten etwa
100, in der Goldleistenfabrik Flaig & Co. etwa
80 und in einer Filiale der Uhrenfabrik Gebrüder
Junghans AG zwischen 150 und 200
Fabrikarbeiter beschäftigt. Außerdem entstanden
die beiden Kammfabriken Arnold und
Buchholz, bei denen ebenfalls einige Fabrikarbeiter
ihr Geld verdienten (SVW 17.1.1931).
Viele Einwohner arbeiteten aber auch als Pendler
in den Uhrenfabriken der benachbarten Industriestadt
Schramberg. 1925 stellten diese
Pendler mit 503 Personen 15,8% der 3190 Einwohner
der Gemeinde Lauterbach dar.8 Zahlreiche
Fabrikarbeiter waren Arbeiter-Bauern
und bewirtschafteten neben der Industriearbeit
einen Bauernhof. Bei einer Gesamtzahl
von 760 Haushalten waren 1933 206 Land- und
Forstwirtschaftsbetriebe in der Gemeinde vorhanden
(NSW 6.7.1933).
Durch die Industrialisierung entstand mit der
Arbeiterschaft eine neue soziale Schicht mit
einer eigenen Alltagskultur und Lebensweise.
Die Arbeiterkultur spaltete sich aber in verschiedene
Lager und Milieus auf, die von unterschiedlichen
Faktoren geprägt wurden.9 In
der Arbeiter- und Bauerngemeinde Lauterbach
entwickelten sich in diesem Zeitraum einerseits
ein vom Kirchen-, Partei- und Vereinskatholizismus
und andererseits ein von den Gewerkschaften
, Parteien sowie Kultur- und
Sportorganisationen der sozialistischen Arbeiterbewegung
getragenes Arbeitermilieu mit
einem ausgeprägten Lager- und Konkurrenzdenken
. Die Entwicklung des sozialistischen
Arbeitermilieus begann in Lauterbach um die
Jahrhundertwende, als sich die ersten Fabrikarbeiter
den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie
anschlössen, um in den Betrieben
und in der Gemeinde für ihre Interessen zu
kämpfen. Das Gründungsjahr des SPD-Ortsvereins
ist bisher noch nicht genau bekannt. 1901
trat aber der Drechsler Josef Neudeck (1880-
1960) in die SPD ein (SVW 24.11.1926) und
wurde später als „Mitbegründer des Sozialdemokratischen
Vereins" bezeichnet (SVW
13.11.1930), so daß die Gründung in dieser
Zeit anzusiedeln sein dürfte. Josef Neudeck
war ein typischer Sozialdemokrat des Kaiser-
Abb. 2: Josef Neudeck - Drechsler, Gewerkschafter
im Deutschen Holzarbeiterverband, SPD-Gemeinderat
und Vorsitzender des Arbeitergesangvereins
„Freiheit" in Lauterbach
reiches und eine der bedeutendsten Persönlichkeiten
der Lauterbacher Arbeiterbewegung
(Abb.2). 1905 gründeten die Lauterbacher
Sozialdemokraten einen Spar- und Konsumverein
auf genossenschaftlicher Basis
(SVW 22.9.1931) und 1907 auch eine Zahlstelle
des Deutschen Holzarbeiterverbandes, die
von einigen Gewerkschaftern aus Schramberg
bei der Aufbauarbeit unterstützt wurde (SVW
23.11.1932).
1908 traten schließlich einige Gewerkschafter
und Sozialdemokraten nach einem Sängerfest
in Freudenstadt aus dem Männergesangverein
„Frohsinn" aus und schlössen sich im Arbeitergesangverein
„Freiheit" zusammen. Die
Gründungsmitglieder waren: Gottfried Kniess,
Paul Maurer, Alfons Erhard und Markus Moosmann
, Josef und Otto Neudeck, Alfons Rech-
berger, Hans Reininger, Eugen und Karl Schaub
sowie Walter Waller.10 Über die Konflikte im
Männergesangverein „Frohsinn" ist noch
nichts Näheres bekannt, man kann aber davon
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