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Carl Faist:

„ERINNERUNGEN" (Fortsetzung)

In den letzten beiden Heften schilderte Carl Faist zunächst seine Herkunft und Kindheit sowie
die Ereignisse im Revolutionsjahr 1848, um dann von seiner Schulzeit, während der er bereits
in der Steingutfabrik arbeiten mußte, zu berichten. Da er von schwächlicher Statur war,
sollte er nach der Schulentlassung das Schneiderhandwerk erlernen. Doch es fand sich kein
Meister.

Ein anderer Plan wurde nun ausgedacht: Ich
sollte Uhrmacher werden. Ich fand auch bald
einen Meister in der sogenannten Katzensteig1
bei Furtwangen. Anton Schmider war
sein Name. Das große Bauernhaus mit Stroh-
und Schindeldach gehörte dem Bassel2 Schör-
zinger, vulgo3 „Pfinto Bass", welcher die Holzschildmalerei
und Weinhandel, aber auch
Landwirtschaft betrieb. Ich wurde nur mit
„Carle" angeredet. Das Leben war dort nicht
gerade üppig. Da ich mehr Neigung zur Malerei
verspürte, war ich häufiger beim „Bass" zu
finden.

Mein Schlafgemach war auf der großen Bühne4.
Der Weg dorthin ging durch den fast endlosen
„Heubarn"5. Die Türe, welche furchtbar knarrte
, war mit einem Holzriegel versehen. Bisweilen
hatte ich einen großen, alten Zimmermann
, welcher die Schäden an Haus und
Gaden6 flickte, zum Schlafkameraden, der mich
aber manchmal unsanft an die Holzwand
drückte.

Bei dem Haus war ein großer Weiher. An ihm
hatte ich sonntags meine einzige Unterhaltung.
Eines Montags war Markt in Furtwangen. Ich
durfte auch hingehen. Es traf sich, daß ich dort
eine Schramberger Samenhändlerin, Juliane
Flaig, welche ihre Ware feilbot, traf. Beim Anblick
dieser Frau erfaßte mich ein Heimweh, eine
Sehnsucht nach der lieben, armen Heimat,
so daß ich den Entschluß faßte, in dieser verlassenen
Gegend nicht mehr zu bleiben und
der Katzensteig adieu zu sagen. Das Heimweh
plagte mich immer mehr. Pfingstsonntag kam.
Melancholisch ging ich am Weiher hin und her.
Es schneite, wie wenn alles vom Himmel herunter
wollte. Ich rang mit der Verzweiflung. Da
ging ich zum Meister und erklärte ihm, daß ich

heim wolle, und sei es nur auf einen Tag. Das
Heimweh, das Heimweh!
Am Pfingstmontag sah man ein Bürschchen
mit einem Bündel Schönwald zu marschieren.
Oben begegnete mir mit seinem Einspänner
der „Pfinte Bass". „Wohin, Carle?", fragte er.
„Nach Hause auf Besuch!", war meine Antwort.
Er mochte wohl gedacht haben, daß der Carle
nicht mehr zurückkomme. Und so war es auch!
Der Carle kam nicht wieder.
Der Weg von Furtwangen ist weit. Aber es
pressierte7 mir gar nicht, denn ich wollte nicht
bei Tag heimkommen. Wie pochte mein Herz
beim Anblick der heimatlichen Berge und Wälder
, und wie freute ich mich, meine liebe Mutter
wiederzusehen!

Mein Bruder Fridolin war bei einem Maurermeister
in der Lehre. Dieser starb aber, und so
mußte er zu einem anderen Meister, um auszulernen
. Er kam nach Triberg zum Maurermeister
Vogel. Dort besuchte ich ihn einmal von
Furtwangen aus. Sein Meister hatte einen Annex8
in Weißenbach, einem netten Wiesentäle
zwischen Schönwald und Schonach. Es waren
etwa 25-30 Maurergesellen da, die alle auf dem
Heuboden in einem Bauernhaus schliefen, wo
ich auch die Nacht verbringen mußte. Es war
eine schreckliche Nacht, eine Nacht wie in der
Hölle. Ich konnte trotz meiner Müdigkeit nicht
schlafen und war daher froh, als der Morgen
graute, wo ich der grausamen Herberge den
Rücken kehren konnte. Fridolin wurde dann
Soldat und diente in Stuttgart vom Frühjahr bis
zum Herbst, wo er als Defecter9 entlassen wurde
.

Die Verhältnisse in Schramberg waren nach
wie vor schlecht. Durch Zufall kam ich am
Tag nach meiner Heimkehr in die Strohhut-

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