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Geistlichen wurde vom katholischen Dekan
der Herrschaft Schramberg außerordentlich
kritisch beobachtet und zum Anlaß für eine
Banndrohung gegen jeden katholischen Ten-
nenbronner genommen, der weiterhin seine
Predigten besuche. Dieses Verbot blieb aber
nach Darstellung Ramslers weitgehend unbeachtet
: Die meisten Katholiken kümmerten
sich nicht darum, ja es kam bey dem ersten
Jahr noch so weit, daß ich von ihnen so viel
Gutthaten hatte als von meinen Zuhörern,
und spührte man kein Mißtrauen mehr zwischen
beiden Communen. Auch in der Zusammenarbeit
mit dem Reichsfreiherrn von
Bissingen als Inhaber der benachbarten vorderösterreichischen
Herrschaft Schramberg
und seinem Obervogt entwickelte sich aus
Ramslers Sicht ein einvernehmliches Verhältnis
, da man bei den Jahrgerichten und der Prüfung
der Heiligenrechnungen regelmäßig miteinander
zu tun hatte. Mehrmals wäre er auch
auf das Schloß Hohenschramberg eingeladen
und bewirtet worden und wäre noch über
zwölf Jahre später, als er schon längst wieder
eine andere Pfarrstelle versah, vom Obervogt
der Herrschaft Schramberg und seinem Sohn
besucht worden.
Die Beilegung des langwährenden Streits um
die Kirche von Tennenbronn, ja sogar der positive
Umschlag in ein von Ramsler als sehr harmonisch
dargestelltes Verhältnis auf allen Ebenen
ist vor dem Hintergrund der kontroversen
Konfliktkontinuität vor, während und nach
dem Dreißigjährigen Krieg erstaunlich. Der
Westfälische Frieden löste den Streit um die
Kirche in diesem vorderösterreichisch-württembergischen
Konfliktkondominat zunächst
nicht, sondern verschärfte ihn ganz im Gegenteil
eher noch in einer großen Zeitspanne
der Nachkriegszeit. Spätestens 1660 war dann
aber klar, daß die Patronatsherrschaft definitiv
von Württemberg ausgeübt wurde. Bei allen
Konfliktparteien kehrte dann wohl ein gewisser
Pragmatismus ein, der für das weitere Zusammenleben
vermutlich auch notwendig war.
Ein grundsätzlich irenischer Zug in der Persönlichkeit
von Pfarrer Johann Gerhard Ramsler
trug dazu sicher ebenfalls bei, allerdings hatte
sein Verhalten doch noch nach wie vor auch
einen konfessionsoffensiven Charakter, was
die entsprechende Gegenreaktion des katholischen
Dekans der Herrschaft Schramberg belegt
. Pfarrer Gerhard Ramsler beanspruchte
jedenfalls in seiner Lebensbeschreibung selbstbewußt
für sich, wie nechst göttlichem Bey-
stand diße Pfarr durch meine Gefahr und
einfältige Conduite denen Successoribus in
Ruhe gesetzt und hinterlaßen worden.
Zusammenfassung der Ergebnisse
und Perspektiven der Forschung
Die einleitend gestellte Frage nach der Bedeutung
der Konfessionalisierung und der
Entwicklung von Konfessionsbewußtsein als
Grundfaktor der frühneuzeitlichen Erfahrungsgeschichte
läßt sich am Beispiel des Kondominats
Tennenbronn besonders anschaulich
diskutieren. Hier entwickelte sich mit der Bi-
konfessionalität ein Konfliktraum, in dem sich
seit der Reformation Probleme anstauten, die
sich dann vor allem im Dreißigjährigen Krieg
mit dem Restitutionsedikt von 1629 entluden
und sich noch über den Westfälischen Frieden
hinaus lange in die Nachkriegszeit erstreckten.
In bikonfessionellen Kondominaten wie Tennenbronn
lebten Katholiken und Protestanten
auf engstem Raum zusammen. Ihr Zusammenleben
war wie in anderen Regionen des Alten
Reiches einerseits von vielen Gehässigkeiten
und kleinlichen Schikanen im Alltag gekennzeichnet
, andererseits gab es aber auch zum
Beispiel in der Frage der Mischehen Spielregeln
des Zusammenlebens, die die Koexistenz
ermöglichten.28 Der Dreißigjährige Krieg bewirkte
aber nach der Reformation auf lokaler
Ebene und im regionalen Rahmen eine weitere
Verstärkung des Konfessionsbewußtseins von
nicht zu unterschätzender Bedeutung. Bis zur
dauerhaften Umsetzung des Westfälischen Friedens
von 1648 im Kondominat Tennenbronn
dauerte es immerhin zwölf Jahre. Die Erfahrung
konfessioneller Fremdheit und möglicher
Konflikte aufgrund unterschiedlicher Kultur
und Lebensweise wirkte in diesem Kondominat
in vielen Bereichen erfahrungsbestimmend
und erfahrungsprägend, da insbesondere in
den von vielen katholischen Territorien umgebenen
Randzonen des Herzogtums die andersgläubigen
Nachbarn durch ihre bloße Existenz
geistige und kulturelle Alternativen anboten,
welche die militant orthodoxen Lutheraner
Württembergs ständig beunruhigten und zu
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