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wirtschaftspolitischer Interessen geeigneteren
Weg. Dieser Grundsatzkonflikt - Fachabteilungen
versus Gewerkschaften - wurde mit dem
so genannten „Gewerkschaftsstreit" zu einer
der schwersten Kontroversen im Katholizismus
des Kaiserreiches und legte sich erst
durch die Sozialenzyklika „Singulari quadam"
von Papst Pius X. (1835-1914) aus dem Jahr
1912.24
Die Christlichen Gewerkschaften entwickelten
sich seit 1894 in einem verhältnismäßig kurzen
Zeitraum und umfassten bald zahlreiche Einzelverbände
. 1899 schlössen sie sich auf einem
Kongress in Mainz zu einem Gesamtverband
der christlichen Gewerkschaften Deutschland
zusammen und gaben sich mit den so genannten
„Mainzer Leitsätzen" auch ein Grundsatzprogramm
(Abb. 1). Darin wurde vor allem die
Interkonfessionalität und Überparteilichkeit
der Christlichen Gewerkschaften festgelegt,
um ihre Unabhängigkeit deutlich zu machen.
Die Interkonfessionalität und Überparteilichkeit
blieben aber immer ein unerfüllbares Ziel,
da weit über 90 Prozent der Mitglieder der
Christlichen Gewerkschaften katholisch und
sie politisch überwiegend dem Zentrum verbunden
waren. Darüber hinaus lehnte sich das
wirtschaftsfriedliche Programm eng an die
päpstliche Sozialenzyklika „Rerum novarum"
an, betonte dementsprechend die gemeinsamen
Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern
, empfahl eine maßvolle Vertretung
von gewerkschaftlichen Forderungen und
betrachtete Streiks grundsätzlich nur als letztes
Mittel bei Arbeitskämpfen.25 Die christlich-soziale
Bewegung im Katholizismus des Kaiserreiches
bestand seitdem aus den drei Säulen der
katholischen Arbeitervereine, dem Volksverein
für das katholische Deutschland sowie den
Christlichen Gewerkschaften und begann sich
auch in der Industriestadt Schramberg zu entwickeln
.26
Abb. 2: Sehramberger Fabrikarbeiter, die in der Mechanikwerkstatt der Hamburg-Amerikanischen Uhrenfabrik
(H.A. U.) arbeiteten und auf dieser Gruppenaufnahme aus dem Jahr 1893 in ihrer Berufskleidung
und mit einigen Werkzeugen arrangiert wurden. Das Foto wurde von der Firma Photographie Internationale
de Jongh Freres aus Neuilly-Paris aufgenommen und diente daher wahrscheinlich als Werbung für das
Unternehmen in Frankreich. Vorlage: Archiv Carsten Kohlmann
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