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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kraez_21/0022
Die Gründung des Christlichen Uhren-
industriearbeiterverbandes Schwarzwald
in der badischen und württembergischen
Uhrenindustrie

Die Entwicklung der Stadt Schramberg zu
einem der bedeutendsten Industriestandorte
im Königreich Württemberg wurde durch die
Uhrenindustrie und ihre Zulieferbetriebe
ermöglicht.27 1907 stand die Uhrenfabrik Gebrüder
Junghans als bedeutendstes und größtes
Unternehmen mit 2580 Arbeitern und
Angestellten sogar an zweiter Stelle unter den
größten Industriebetrieben des Königreiches
Württemberg. Das Unternehmen - größte
Uhrenfabrik der Welt - verwies in dieser Zeit
sogar noch die Daimler Motorwagengesellschaft
in der Landeshauptstadt Stuttgart auf
den dritten Platz (SchT 3.9.1907). Die Expansion
der Uhrenindustrie und ihrer Zulieferbetriebe
ließ die Einwohnerzahl im Kaiserreich
sprunghaft ansteigen: Zwischen 1870 und
1910 nahm die Bevölkerung Schrambergs von
3453 Personen auf 11267 Personen zu, verdreifachte
sich, ließ eine immer größer werdende
Arbeiterschaft aus Einheimischen und
Fremden sowie eine kontinuierlich wachsende
evangelische Kirchengemeinde entstehen
(Abb. 2).28

In den späten 1880er- und frühen 1890er-Jah-
ren löste eine jüngere Generation der Arbeiterschaft
aus den Geburtsjahrgängen der 1860er-
und 1870er-Jahre die ältere Generation der
Arbeiterschaft aus den Geburtsjahrgängen der
1840er- bis 1850er-Jahre ab. Diese jüngere
Generation der Arbeiterschaft entwickelte im
Kontext der Hochindustrialisierung ein deutlich
ausgeprägteres Bewusstsein für ihre politische
, soziale und wirtschaftliche Lage als es bei
der älteren Generation der Arbeiterschaft vorhanden
war und wurde zur Grundlage für die
Entwicklung einer Arbeiterbewegung unterschiedlicher
Richtungen. Insbesondere breiteten
sich nach dem Ende des so genannten
„Sozialistengesetzes" im Jahr 1890 die SPD und
die ihr nahe stehenden Freien Gewerkschaften
von den bedeutenden Industriezentren auch in
periphere Industriegebiete aus.
Diese Entwicklung zeigt sich auch in der
Industriestadt Schramberg, wo sich 1888 noch
unter dem so genannten „Sozialistengesetz"
einige überwiegend zugewanderte und auffallend
jugendliche und junge Arbeiter zu einem
Arbeiterleseverein zusammenfanden, aus dem
1891 ein SPD-Ortsverein hervorging.29 Von
diesen ging auch die Initiative zur Bildung von
Zahlstellen der Freien Gewerkschaften aus.
Nach schwieriger Aufbauarbeit gegen den teilweise
sehr starken Widerstand der Unternehmer
konnten aber 1894 Zahlstellen des Deutschen
Metallarbeiterverbandes und des Deutschen
Holzarbeiterverbandes gegründet werden
.30 Bereits zuvor entstanden schon sehr
früh die sozialliberalen Hirsch-Duncker'schen
Gewerkvereine.31 Das Aufkommen der Arbeiterbewegung
war eindeutig eine Reaktion auf
die zunehmend schlechter werdenden Arbeitsbedingungen
und Lebensverhältnisse der
Arbeiterschaft in der Uhrenindustrie. Zwischen
den verschiedenen Unternehmen gab
es eine immer schärfer werdende Konkurrenz,
die sich in einem wachsenden Preisdruck und
sinkenden Löhnen der Arbeiterschaft widerspiegelte
. Trotz ständiger Expansion und häufiger
werdender Überstundenarbeit verstärkten
sich die Lohnkürzungen, außerdem nahmen
Konkurrenz- und Lohndruck durch Rationalisierung
der Produktionsabläufe am Ende
der 1880er- und am Beginn der 1890er-Jahre
zu, wodurch die Bereitschaft der Arbeiterschaft
zur Gewerkschaftsorganisation ständig
zunahm.32

Auch in der katholischen Arbeiterschaft der
Stadt Schramberg wuchs langsam das Bewusstsein
für die Bedeutung einer eigenen sozial-
und wirtschaftspolitischen Interessenvertretung
und zeigte sich zunächst in der Gründung
des Katholischen Gesellenvereins im Jahr
188833 sowie dann in der Gründung des Katholischen
Arbeitervereins im Jahr 1896.34 Die in
den Freien Gewerkschaften sich organisierenden
SPD-Anhänger wandten sich von Beginn
an aus gewerkschaftspolitischen und weltanschaulichen
Gründen gegen die christlich-soziale
Bewegung des Katholizismus: „Über christliche
und soziale Arbeitervereine sprach am
Sonntag Abend im Lammsaale der sozialdemokratische
Agitator Schriftsteller Agster aus Stuttgart
... Nach seinen Ausführungen können
christliche Arbeitervereine ihrer Aufgabe nicht
gerecht werden, da sie ein gutes Einvernehmen
mit den Arbeitgebern anstreben" (SA 19.5.
1896).

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