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Hans-Joachim Losch
„FURCHTLOS UND TREU!" - DER BISCHOFSTAG
IN SCHRAMBERG
Am Sonntag, dem 243-1935, erschienen Tausende von katholischen Jugendlichen von der
Schwäbischen Alb, von der Baar und vom Schwarzwald zum Bischofstag in Schramberg.
Dabei kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen HJ (Hitlerjugend) und Jungvolk
auf der einen Seite sowie der katholischen Jugend auf der anderen Seite. Obwohl es heute
noch einige Zeitzeugen gibt, die den Bischofstag miterlebt haben, weichen ihre Schilderungen
über den Verlauf dieses Ereignisses erheblich voneinander ab. Deshalb dient mein Beitrag
dem Versuch, dem tatsächlichen Verlauf anhand von Quellen möglichst nahe zu kommen.
In diesem Zusammenhang stellen sich mehrere Fragen:
Was verstand man damals unter den Bischofstagen, und in welchem historischen
Zusammenhang sind sie zu sehen?
Wie kam es zu der Entscheidung, den Bischofstag in Schramberg abzuhalten?
Welchen Verlaufnahm der Bischofstag - angesichts unterschiedlicher Berichte - tatsächlich?
Welche Nachwirkungen hatte er in der Öffentlichkeit?
Zur Vorgeschichte der Bischofstage
Nach der Übernahme der Macht durch die
Nationalsozialisten im Jahre 1933 befand sich
die katholische Kirche in einer schwierigen
Lage. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie vor den
Irrlehren des Nationalsozialismus gewarnt.
Nach der Vereidigung Hitlers als Reichskanzler
aber erkannte sie die bestehenden Verhältnisse
an und verkündete den katholischen Gläubigen
, dass man der neuen staatlichen Regierung
den staatsbürgerlichen Gehorsam schulde, und
so wurde aus einer lehramtlich verurteilten
Bewegung eine legale staatliche Obrigkeit, der
man sich nach den Worten des Apostels Paulus
unterzuordnen habe:
„Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt
den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt
keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott
stammt;jede ist von Gott eingesetzt. Wer sich
daher der staatlichen Gewalt widersetzt,
stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer
sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht
verfallen" (Römerbrief 13.1 ff.).
Bei der Betonung dieses Staatsverständnisses
ist es verständlich, daß auch Bischof Sproll von
Rottenburg zur Versöhnung aufrief und dabei
eine Äußerung des Erzbischofs Gröber von
Freiburg vor Karlsruher Katholiken zitierte:
„Ich glaube, weder vor Ihnen noch vor dem
deutschen Volke ein Geheimnis zu verraten,
wenn ich sage, daß ich mich restlos hinter
die neue Regierung stelle" (Schwarzwälder
Tagblatt vom 12.10.1933).
Die Bereitschaft zur Versöhnung und die Demonstration
vaterländischer Gesinnung waren
wesentliche Elemente der kirchlichen Politik
gegenüber der NS-Regierung. Nachdem jedoch
etliche Geistliche verhaftet worden waren,
zahlreiche Übergriffe der HJ auf katholische
Jugendverbände stattgefunden hatten und die
Rechte der katholischen Kirche in zunehmendem
Maße eingeschränkt worden waren, änderte
Bischof Sproll seine Einstellung zum NS-
Staat. Er griff die Regierung Hitler zwar niemals
direkt an, aber er beschwerte sich in Briefen an
die Stuttgarter Regierung offen über die Übergriffe
lokaler NS-Aktivisten. Besonders lag ihm
daran, die katholischen Jugendlichen gegen die
Ideologie des Nationalsozialismus zu immunisieren
und sie in seinen Ansprachen zu ermutigen
, ihrem Glauben treu zu bleiben, auch wenn
sie in der Schule oder am Arbeitsplatz wegen
ihrer Mitgliedschaft in katholischen Verbänden
Schikanen zu erdulden hatten.
In dem Maße, wie die Nationalsozialisten den
Einfluss der katholischen Kirche in der Öffentlichkeit
zurückzudrängen suchten, steigerte der
Bischof seine Predigttätigkeit bei besonderen
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